Kommentar von Herausgeber Leo Lugmayr über die neue Besteuerung von Trinkgeld
Ich saß kürzlich mit meiner Frau und einer Freundin (meiner Frau), die wir zufällig am Freisingerberg in Waidhofen getroffen hatten, bei einer Tasse Kaffee im Kaffeehaus. Schließlich verlangte ich nach der Kellnerin, um die Rechnung zu begleichen. „Einen Hauskaffee, einen großen Braunen und einen Mokka. 11 Euro, 20 Cent“, verlangte die Dame charmant, die sich wie immer freundlich um uns bemüht hatte. „12 Euro, stimmt schon!“ Mir war in diesem Moment nicht bewusst, dass ich damit eigentlich zwei Rechtsgeschäfte abgeschlossen hatte: Einerseits den mit Quittung besiegelten Kaufvertrag über drei wohlschmeckende Getränke und darüber hinaus ein Direktgeschäft mit der Kellnerin, das steuer- und sozialabgabenpflichtig ist. Auch war mir auf Anhieb nicht klar, wie komplex meine Barzahlung eigentlich war. Natürlich hatte ich die kürzlich entbrannte Debatte um das Trinkgeld im Ohr, daher fragte ich nun bei meiner Steuerberaterin nach. Kein Wunder, bin ich doch in einem Genre tätig, wo Trinkgeld völlig unbekannt ist. Niemand käme auch nur auf die Idee, bei der Trafikantin oder an einer anderen Verschleißstelle, den knapp kalkulierten Preis für den „Ybbstaler“ aufzurunden.
Ich erfuhr: Ab 1. Jänner 2026 wird das Trinkgeld meiner Zahlkellnerin bis zu einem Pauschalbetrag von 65 Euro im Monat nach ihrem Grenzsteuersatz, wahrscheinlich 20 Prozent, wenn sie gut verdient vielleicht sogar zu 30 Prozent, versteuert. Weiters werden ihr für Krankenversicherung (3,87 %), Pensionsversicherung (10,25 %), Arbeitslosenversicherung (2,95 %), Arbeiterkammerumlage (0,5 %) und Wohnbauförderung (0,5 %) weitere rund 18 Prozent von meinem Trinkgeld abgezogen. Bekommt sie in einem Monat weniger Bakschisch als diese 65 Euro, so muss sie trotzdem für 65 Euro Lohnsteuern und Abgaben zahlen. Erhält sie mehr Trinkgeld, so ist der darüber hinaus erhaltene Betrag dann steuer- und abgabenfrei. Bisher lag dieser Pauschalbetrag in Niederösterreich bei 29,07 Euro, war aber von Bundesland zu Bundesland verschieden. Kürzlich wurde er per Gesetz einheitlich für ganz Österreich hinaufgesetzt. Streng genommen war früher das Trinkgeld in ganzer Höhe steuerpflichtig, wenn dies auch meist schwer nachweisbar war.
Der langen Rede kurzer Sinn: 38 bis 48 Prozent meines Trinkgelds gehen an den Staat. Dazu kommen noch rund 21 Prozent an Abgaben durch die Arbeitgeberin. Christina Hummel vom bekannten Kaffeehaus in der Wiener Josefstädter Straße rechnete im Radio Mittagsjournal medienwirksam vor, dass sie im Jahr rund 2.000 Mokka mehr verkaufen muss, um die zusätzliche Steuer zu erwirtschaften. In welch finanzieller Bedrängnis muss ein Finanzminister doch sein, wenn er Kellnerinnen und Friseuren auf diese Weise ihr Körberlgeld abverlangen muss? Doch ich habe meinen Entschluss schon gefasst: Ich werde in Zukunft großzügiger Trinkgeld geben und dabei das Gefühl haben, dass meiner Kellnerin soviel wie früher bleibt und ich damit gleichzeitig die maroden Staatsfinanzen saniere und das defizitäre Sozialsystem rette: „11 Euro, 20 Cent? 12 Euro? Nein 13 Euro, stimmt schon!“ Ein großartiges Gefühl, Retter unseres Staatshaushaltes zu sein!

