Veröffentlicht am 30. August 2024

„Bruckner ist unser beider Idee“

Von 4. bis 8. September werden die Grenzen zwischen Stadt und Land aufgebrochen und mit Musik und Literatur neue Begegnungsräume geschaffen. Zum 75-jährigen Jubiläum des Musikveranstalters Jeunesse fährt auch das heurige KlangRede Festival Weyer unter den Intendantinnen Petra Hartlieb und Evelyn Schörkhuber ein Festprogramm. An fünf Tagen laden die zwei Frauen international gefeierte Musiker sowie erfolgreiche Schauspielerinnen und Autoren zu Konzerten, Filmabenden, Lesungen und Wanderungen nach Weyer ein. Wir sprachen mit dem weltweit gefeierten Bassisten Günther Groissböck und Intendantin Evelyn Schörkhuber

Evelyn Schörkhuber und Günther Groissböck im Gespräch mit „Der Ybbstaler“

Herr Groissböck, die Klassikwelt von Bayreuth bis New York engagiert Sie laufend als Sänger, nun sagen Sie gleich eine ganze Woche für ein vergleichsweise kleines Festival in Weyer zu, was uns alle sehr freut. Aber wie kam es dazu?
Günther Groissböck:
Ja, mein Zeitplan ist derzeit sehr dicht. Die Bayreuther Festspiele sind natürlich ein ganz eigener Kosmos. Da ist man wahnsinnig exponiert. Aber das Mitwirken bei der Jeunesse in Weyer ist da ein wunderbarer Ausgleich. Es ist ein Balanceakt, große Dinge zu machen und gleichzeitig idealistische Experimente zu wagen. Aber gerade das macht es aus! Das Eine kann das Andere befeuern. Die Top-Stars der Musikszene sind innerlich oft sehr leer, weil sie merken, dass ihnen die Musik alleine nicht alles gibt. Solche Projekte, wie diese wunderbare KlangRede in Weyer, geben Energie und befeuern.
Evelyn Schörkhuber: Da stimme ich völlig zu: In einem so beseelten Beruf, wie dem eines Sängers, einer Sängerin, darf man seine Seele nicht verkaufen. Hier verdient man keine großen Gagen. Das Schöne an der Jeunesse in Weyer ist auch, dass man mit großartigen Musikerinnen und Musikern, Künstlerinnen und Künstlern hier abseits der Metropolen etwas schaffen und gleichzeitig das Potenzial der Region heben kann. Es ist ein wunderbares Miteinander aus regionalen Musikensembles und Künstlern von internationalem Format

Sie veranstalten die KlangRede Weyer bereits zum dritten Mal?
Schörkhuber:
Ja, der Titel KlangRede ist eine sehr gelungene Wortschöpfung …
Groissböck: … das Wort Klang hat etwas Rundes, das Wort Rede hat etwas Engeres. Das ergänzt sich und fordert sich gegenseitig heraus. Dass wir uns heuer sehr stark dem Komponisten und Jahresregenten Anton Bruckner widmen wollen, das war unser beider Idee.

Wie kommen diese beiden zusammen, klassische Musik, aktuelle Literatur?
Groissböck:
Die Zeit, in der wir aktuell leben, hat etwas sehr Heik­les. Alles geht in Richtung Digitalisierung. Mit der Publikation der CD „In te Domine speravi“ mit Musik von Bruckner und Franz Schmidt gemeinsam mit Matthias Giesen bei Gramola halte ich da etwas entgegen. Ich habe die CD am 20. August in der 10. Internationalen Orgelnacht in der Stiftskirche St. Florian vorgestellt. Bruckner kennt man vor allem als großen Symphoniker und dessen Motetten. Er hat aber auch simple Lieder verfasst, Lieder mit Tiefgang, die dich erschüttern und doch einen gewissen Trost geben. Am Schluss merkt man das Urvertrauen, das Bruckner und seine Zeit haben: Gott wird es schon richten, aber man muss schon auch selbst etwas dazu tun.

Das Festival findet im Rahmen der Jeunesse statt. Die Jeunesse Österreich bietet vorwiegend in Wien, aber auch an Standorten in ganz Österreich ein hochqualitatives, vielfältiges und innovatives Programm. Wie überzeugt man einen führenden Musikveranstalter, sich in Weyer zu engagieren?
Schörkhuber:
Die Wiener Buchhändlerin Petra Hartlieb und ich haben 2022 das KlangRede Musik- & Literaturfestival in Weyer gegründet. Wir wollten alle berühmten Kinder der Weyrer Gegend versammeln und jene dazu holen, die irgendwann auch mal vom Land in die Stadt geflüchtet sind und heute mit Freude zurückkehren. Ich selbst wuchs in Weyer auf, auch Petras Vater kommt aus der Gegend. Wir bringen mit der KlangRede die Menschen, die ich aus meiner jahrzehntelangen Arbeit im Kulturbetrieb kenne, zu meinen Wurzeln. Man kann hier eine Dichte an berühmten Leuten erleben, die zu einem Großteil auch hier aufgewachsen sind. Sie sind nahbar und gehen mit den Festivalbesuchern auch anschließend ins Wirtshaus. Die Kombination aus hochkarätigen Beiträgen mit regionalen Akteuren in einem kleinen Ort, wo man sehr niederschwellig sein kann, begeistert alle.

Auch auf dem Gebiet Moderation und Rezitation luden Sie Prominenz erster Wahl ein.
Schörkhuber:
Ja, das gilt auch für Robert Palfrader, der am 8. September im Egererschloss seinen Erstlingsroman „Ein paar Leben später“ vorstellt, oder Florian Scheuba, der mit Petra Hartlieb am 7. September ihren brisanten Politkrimi „Freunderlwirtschaft“ in Weyer präsentiert. Bei der Filmpräsentation „Ich leb‘ allein in meinem Himmel“, die Günther in der Filmbühne Waidhofen vornimmt, führt das anschließende Filmgespräch Norbert Trawöger, künstlerischer Leiter der KulturEXPO „Anton Bruckner 2024“.

Das Konzert am 4. September findet terminlich exakt am 200. Geburtstag des Komponisten statt.
Groissböck: Ein Geburtstagskonzert zu Ehren Anton Bruckners – Gibt es etwas Schöneres? Das Schöne am Brucknerkonzert ist das Zusammenkommen von Volkskultur und Hochkultur. Das Sperrige, Wuchtige, Symphonische wird aufgebrochen und zugänglich gemacht. Bruckners Motetten waren Alltagsliturgie auf höchstem Niveau. Anlässlich des Geburtstags von Anton Bruckner stehen dessen 3. Satz vom Streichquintett F-Dur, die Windhaager Messe in Bearbeitung für Chor, Streichquintett, zwei Hörnern und Orgel, Locus iste, Graduale Ave Maria, die Motette „In jener letzten der Nächte“ und der 1. Satz des Streichquartetts in c-Moll sowie weitere Werke von Anton Bruckner und Franz Schmidt auf dem Programm. Eine Zusammenstellung, die es in sich hat!
Schörkhuber: Die Werke werden von Musikern der Wiener Philharmoniker, Wiener Symphoniker und Günther Groissböck interpretiert. Die aus Waidhofen stammende Violinistin Birgit Kolar, international als Konzertmeis­terin, Solistin, Professorin und mit dem Seraphin Quartett höchst erfolgreich, wird als Solistin im Geburtstagskonzert dabei sein. Peter Kislinger, Musikredakteur bei Radio Österreich 1 und der BBC, wird die Moderation übernehmen. Philharmoniker, wie der Weyrer Günter Seifert, wirken mit und Musiker, die ursprünglich aus der Region kommen oder noch hier verwurzelt sind: Thomas Schnabel und Felix Hornbacher an der Orgel, Helmut Lackinger, Paul Rabeck, Bence Temesvári, Wolfgang Vladar und Manuel Huber. Den eigens zusammengestellten Jubiläums-Chor leiten Franz Egger und Johannes Sulzer.

Ich sehe auch sehr Zeitkritisches im Programm …
Schörkhuber:
Ja, zum allerers­ten Mal präsentiert Petra Hartlieb am 7. September in Österreich ihren brisanten Politkrimi „Freunderlwirtschaft“ in Weyer. Mit dem Kabarettisten Florian Scheuba wird sie die Buberlpartien in der österreichischen Politik sezieren, bis einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Das SchrammelBach Ensemble fängt dazwischen mit launigen Schrammeln auf.

Mit besonderer Spannung erwartet man den Liederabend am 6. September.
Groissböck:
Am 6. September geben wir vier Schumann-Balladen, die vom Krieg handeln. Dann die „Vier ernsten Gesänge“ von Brahms zur Vergänglichkeit. Schließlich die Liebe und die Angst des Todes von Modest Mussorgski. Und das in original russischer Sprache. Das hat eine ganz andere Wucht und Unerbittlichkeit. Das lösen wir mit Gustav Mahler auf. Dazwischen liest Maria Hofstätter aus Briefen und Tagebüchern aus Kriegszeiten. Das geht unter die Haut.

Herr Groissböck, Frau Schörk­huber, danke für das Gespräch. Wir sind gespannt!

Programm und Kartenverkauf KlangRede (jeunesse.at)

Veranstaltungen:

  • Geburtstagskonzert zu Ehren Anton Bruckners: Mittwoch, 4. 9., 20.00 Uhr, Pfarrkirche Weyer
  • Filmabend „Ich leb‘ allein in meinem Himmel“: Donnerstag, 5. 9., 19.00 Uhr, Filmbühne Waidhofen
  • Maria Hofstätter, Günther Groissböck, Alexandra Goloubitskaia: Freitag, 6. 9., 20.00 Uhr, Egererschloss Weyer
  • Geführte Wanderung am Ge:denk:weg mit Rudolf Grogger: Samstag, 7. 9., 11.00 Uhr, Weyer Katzensteiner Mühle
  • Petra Hartlieb, Florian Scheuba, SchrammelBach: Samstag, 7. 9., 20.00 Uhr, Egererschloss Weyer
  • Robert Palfrader, Quartett Potzmann, Fruhwirth: Sonntag, 8. 9., 11.00 Uhr, Egererschloss Weyer

Ticketpreise:

  • Festivalpass: € 64,– (ermäßigt für Jugendliche unter 26: € 32 ,–)
  • Einzeltickets: € 23,– (ermäßigt für Jugendliche unter 26: € 11,–)
  • Familienwanderung und Kinofilm sind gratis im Festival-Pass inkludiert.
    Festival-Karten sind ab sofort online erhältlich und an der Abendkassa.
    Das einzelne Kinoticket (außerhalb des Festival-Passes) ist ausschließlich direkt im Kino an der Abendkasse erhältlich.
Veröffentlicht am 30. August 2024

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