Kommentar von Herausgeber Leo Lugmayr
Die Wahl ist geschlagen, die einen feiern, die anderen lecken ihre Wunden. Manche Erwartungen wurden übertroffen, andere enttäuscht. So ähnlich ist das immer nach Wahlen, auch wenn dieses Mal Analysten von einem politischen Erdbeben sprechen.
Doch was sind eigentlich die größten Überraschungen? Die Stadt Amstetten ist blau. In der einst so stolzen SPÖ-Hochburg, in der in einem spektakulären Gemeinderatswahlkampf die ÖVP erst am Beginn der aktuellen Gemeinderatsperiode den Bürgermeistersessel erobert hat, ist bei diesem Wahlgang die FPÖ mit einem Stimmenanteil von 32,11 Prozent die stimmenstärkste Partei. Und das in einer Stadt, in der die FPÖ im Gemeinderat gerade einmal zwei der 41 Mandatare stellt.
In Waidhofen, wo überhaupt nur ein FPÖ-Mann im 40-köpfigen Gemeinderat sitzt, erringt diese Partei locker 26,92 Prozent.
Was macht die FPÖ richtig? Was machen die anderen Parteien falsch? Die Antwort darauf liegt abseits dieser Frage. Denn vielmehr muss man sich fragen: Was treibt die Wählerinnen und Wähler an, einmal so und das nächste Mal ganz anders zu entscheiden? Politikverdrossenheit war über Jahrzehnte die billige Ausrede für Niederlagen aller Couleurs. Doch davon kann wohl bei einer Rekord-Wahlbeteiligung von 84 Prozent im Bezirk nicht die Rede sein. Ganz im Gegenteil: So groß war die Wahlbegeisterung schon lange nicht mehr.
Vielleicht ist die Antwort: Die Wählerinnen und Wähler sind sensibler, beweglicher und weniger parteitreu als früher. Das stimmt wohl.
Ich freue mich schon auf die Wählerstromanalysen, wer denn wohin gewandert sei. Doch derartige Analysen haben stets einen markanten Schönheitsfehler: Im Vergleich zur letzten Nationalratswahl sind nicht nur fünf Geburtenjahrgänge neu ins Wahlalter hineingewachsen, sondern auch ähnlich viele Menschen in den vergangenen fünf Jahren durch Tod oder Übersiedlung hinaus gekippt. Dazu kommen EU-interne Wanderbewegungen und Einbürgerungen. Das macht alleine zusammen schon fast 10 Prozent der zu vergleichenden Wählerschaft aus, die gar nicht von einer Partei zur anderen wandern kann.
Ich habe Ihnen, geschätzte Leserinnen und Leser, in der vergangenen Woche versprochen auszuführen, warum es bei Wahlen eigentlich nur Gewinner gibt.
Also: Medien, Analysten, Parteisprecher und Politikerklärer sprechen immer davon, wie viele Stimmen oder Prozente die eine oder andere Partei gewonnen, verloren oder gehalten hätte und übersieht dabei geflissentlich, dass man sich keine einzige Stimme von einer Wahl zur anderen mitnehmen kann. Am 1. September 2024 hatte keine der neun wahlwerbenden Gruppen auch nur eine einzige Stimme am Konto.
Daher müsste man vielmehr richtig sagen: Die FPÖ hat bei dieser Wahl im Bezirk Amstetten inklusive Stadt Waidhofen 25.831 Stimmen gewonnen. Die ÖVP hat 25.676 Stimmen gewonnen, die SPÖ 15.610, die Neos 6.061, die Grünen 5.406, Bier 1.668 und die KPÖ hat 1.374 Stimmen gewonnen und so weiter. Das sind alles Stimmen, die die Wählerin und der Wähler auch anderswertig hätten vergeben können. Eigentlich toll. Gratulation allen Parteien zu den hohen Gewinnen! (Das ist nicht zynisch gemeint.) So viel Vertrauen wird den Parteien entgegengebracht, dass man seine einzige, unteilbare und wertvolle Stimme ihr – und nur ihr – widmet. So viel Vertrauen bei einer Rekordbeteiligung von mehr Wählerinnen und Wählern denn je! Lauter Gewinner! Wie schön ist doch unsere Demokratie aus diesem Blickwinkel. Ich freue mich schon auf die nächste Wahl.
Kommende Woche heult an dieser Stelle Fritz Stummer mit den Wölfen – oder gegen sie?