Der Applaus, der dem medizinischen Personal während der Pandemie gezollt wurde, ist längst verstummt, die Belastung aber ist geblieben. Ein offener Brief soll aufrütteln
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass das Gesundheitssystem im Land an seinen (Belastungs-)Grenzen angekommen ist. Eine vom Land NÖ beauftragte Expertengruppe schlug sogar die Schließung von vier Landeskliniken vor, um Ressourcen zu schonen, Personal zu entlasten und Wartezeiten zu verringern. Das dient allerdings vorerst nur als Diskussionsgrundlage. Wie dramatisch die Personalsituation im Landesklinikum Amstetten ist, verdeutlicht ein offener Brief von Gesundheitsstadträtin Beate Hochstrasser, die zunehmend mit Beschwerden über die hiesigen Missstände konfrontiert ist.
Situation im Landesklinikum Waidhofen
Dem Fachärztemangel zum Opfer gefallen ist im heurigen Frühjahr bereits die Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Landesklinikum Waidhofen. Wie die medizinische und pflegerische Versorgung in den verbleibenden Stationen aussieht, haben wir beim Ärztlichen Leiter Primarius Stefan Leidl nachgefragt: „Die Personalsituation im Landesklinikum Waidhofen ist derzeit stabil, es gibt aktuell keine Gefährdungs- und Überlastungsanzeigen der Mitarbeitenden sowie auch keine Bettensperren. Die Patientenversorgung ist gesichert: Es gibt keine Einschränkung der Notfall-Operationen und die Akutversorgung in unserem Klinikum der Grundversorgung ist gewährleistet. Die Verlegung des Interdisziplinären Aufnahmebereiches (IAB) im diesjährigen Oktober ins Erdgeschoß ermöglicht uns überdies eine verbesserte Abarbeitung der Akutfälle. Auch bei den planbaren Leistungen ist kein Rückgang zu erkennen. Ganz im Gegenteil, im Vergleich zum Jahr 2019 ist ein Plus von knapp 10 % der Gesamteingriffe zu verzeichnen. Beim Personal merken wir einen starken Zulauf an Jungmedizinerinnen und -medizinern und ein hohes Interesse an Ausbildungsstellen. Durch Pensionierungen und Standortwechsel kam es zuletzt zu Personalveränderungen. Die betreffenden Stellen konnten aber entweder wieder nachbesetzt werden oder es läuft dazu ein intensives Personal-Recruiting. Aktuell laufen fortgeschrittene Gespräche mit potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern.“ Und auch die Pflegedirektorin Doris Fahrnberger-Schober gibt Entwarnung: „Motiviert setzen wir uns seit einigen Jahren stark für interdisziplinäre Recruitingmaßnahmen – wie Infodays, Imagevideos etc. – ein. Ich bin stolz, dass diese sowie der gute Ruf des Hauses Erfolg zeigen. In der Pflege sind derzeit alle Stellen besetzt.
Offener Brief zur Pflegesituation im LK Amstetten
Schon vergangene Woche richtete sich die Amstettner SPÖ-Gesundheitsstadträtin Beate Hochstrasser in einem offenen Brief an die NÖ Landesregierung, um auf die Missstände im hiesigen Landesklinikum aufmerksam zu machen. Veranlasst dazu hat sie die Häufung der verzweifelten Beschwerden der
Mitarbeiter des Landesklinikums. Hier nun der volle Wortlaut:
Missstände im Landesklinikum Amstetten
Geschätzte Frau Landeshauptfrau!
Sehr geehrte Frau Mikl-Leitner!Geschätzter Herr Landesrat für Finanzen und Landeskliniken!
Sehr geehrter Herr Dipl. Ing. Schleritzko!Als Gesundheitsstadträtin der Stadtgemeinde Amstetten und im Namen zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesklinikums Amstetten wende ich mich heute an Sie, um dringend auf unhaltbare Zustände in unserem Klinikum hinzuweisen. Die Informationen, die uns erreichen, sind alarmierend und zeigen deutlich, dass sofortige Maßnahmen notwendig sind, um die Patientenversorgung sicherzustellen und die Arbeitsbedingungen in Amstetten zu verbessern.
Mehrfach und zunehmend verzweifelt wenden sich Beschäftigte anonym an uns, um auf unhaltbare Arbeitsbedingungen und die daraus resultierende Gefährdung der Patientensicherheit hinzuweisen.
Das medizinische Personal im Landesklinikum Amstetten ist einer Überstundenbelastung ausgesetzt, die inzwischen untragbare Ausmaße erreicht hat. Der Druck ist so groß, dass immer mehr Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte das Klinikum verlassen. Gleichzeitig gibt es berechtigte Befürchtungen, dass zentrale medizinische Abteilungen unterbesetzt bleiben und diesen die Schließung droht. Insbesondere die Abteilung für Pathologie könnte ab Januar 2025 ohne Fachpersonal sein, da die notwendigen Nachbesetzungen ausbleiben.Ebenfalls ist für uns unverständlich, dass die Landesgesundheitsagentur (LGA) zunehmend Gelder in ihre Verwaltungsstrukturen investiert, während die Bedingungen für das medizinische Personal und die Patientenversorgung leiden. Ein solches Missverhältnis ist weder gerechtfertigt noch nachhaltig. Wir benötigen dringend eine Umverteilung der Mittel, die das medizinische Personal entlastet und die Patientensicherheit gewährleistet. Besondere Bemühungen sind dabei anzustellen, um dem immer stärker werdenden Mangel an Fachärzten entschlossen gegenzusteuern.
Im Namen der SPÖ Amstetten und aller Amstettnerinnen und Amstettner appelliere ich an Sie: Ergreifen Sie unverzüglich die notwendigen Maßnahmen, um den Missständen im Landesklinikum Amstetten entgegenzuwirken. Unsere Bürgerinnen und Bürger verdienen eine hochwertige und sichere Gesundheitsversorgung. Lassen Sie uns gemeinsam sicherstellen, dass diese gewährleistet wird. Selbstverständlich stehe ich dazu jederzeit für konstruktive Gespräche bereit, um in einem guten Miteinander das Bestmögliche für Patienten und Beschäftigte herauszuholen. Schließlich muss es unser gemeinsames Ziel sein – über alle Parteigrenzen hinweg – für die bestmögliche Gesundheitsversorgung unserer Bürgerinnen und Bürger zu sorgen.
Mit freundlichen Grüßen
Gesundheitsstadträtin Beate Hochstrasser