Veröffentlicht am 13. September 2024

Große Bühne in Weyer beim Festival KlangRede

Weyer war eine Woche lang Mekka der Musik und Literatur

Orchester in Kirche
Das Konzert in der Weyrer Pfarrkirche war ein musikalisches Gesamtkunstwerk. © Astrid Scharnreithner

Evelyn Schörkhuber und Petra Hartlieb ist Enormes gelungen. Sie haben eine Woche lang Weyer zum Mekka der Musik und Literatur werden lassen. Als Intendantinnen des Festivals KlangRede ist es ihnen einerseits gelungen, Musikschaffende von Weltruf für die Teilnahme in Weyer begeistern zu können, andererseits haben sie mit einem Literaturpart eine wunderbare Ergänzung zur Musik geschaffen. Zu allererst ist hier der Waidhofner und nun in der Schweiz lebende Gesangsweltstar Günther Groissböck zu nennen. An drei Abenden bot er Höhepunkte, um die viele Veranstalter in den Metropolen die Region beneiden werden. Birgit Kolar, europaweit als Gastkonzertmeisterin in großen Häusern gefragt, kam dazu zu ihren Wurzeln in die Region, der Weyrer Philharmoniker Günter Seifert und viele andere mehr fügten sich mit Musikerinnen und Musikern der Region zu einem regionalen Ganzen. Schörkhuber, für den musikalischen Part des Festivals verantwortlich, ergänzte sich wunderbar mit Petra Hartlieb, die den literarischen Part der KlangRede verantwortete.

Geburtstagskonzert zu Ehren Anton Bruckners

Das Festival begann mit einem Geburtstagskonzert für den Jahresregenten Anton Bruckner in der ausverkauften Pfarrkirche des „güldenen Märktls“. Exakt an dessen 200. Geburtstag, dem 4. September, gratulierte ein hochkarätig besetztes Gesangs-, Chor- und Instrumentalensemble dem ober­österreichischen Komponisten mit einem von den Intendantinnen mit Günther Groissböck präzise zusammengestellten Programm, das in wunderbar aufeinander abgestimmtem Duktus ein außerordentliches musikalisches Gesamtkunstwerk ergab.

Den Auftakt setzte man mit Anton Bruckners Streichquintett F-Dur für zwei Violinen, zwei Violen und Violoncello (3. Satz: Adagio), bei dem die aus Waidhofen stammende Birgit Kolar (Violine), Helmut Lackinger (Violine), der Philharmoniker Günter Seifert (Viola), Paul Rabeck (Viola) und Bence Temesvári (Violoncello) Meisterliches boten.
Der Star des Abends war freilich unbestritten Günther Groissböck. Er bot Gänsehautmomente in Werken wie Anton Bruckners „Windhaager Messe“ oder der Motette „In jener letzten der Nächte“. Dass er dazu auch noch die Kanzel der Kirche als Podium nutzte, war ein Geniestreich, der das Publikum sich nur schwer an die Schranken des Applaudierverbots halten ließ.

Weitere Höhepunkte bot man mit Bruckners „Locus iste“ für gemischten Chor, der sich aus handverlesenen Vertreterinnen heimischer Chöre von Sonntagberg bis Losenstein zusammensetzte. Die Chorleiter Franz Egger und Johannes Sulzer hatten hier beste Vorarbeit geleistet. Ebenso meisterlich brachten sich die Hornisten Wolfgang Vladar und Manuel Huber ein, prächtige – und mächtige – Zäsuren setzten Thomas Schnabel und Felix Hornbachner an der Orgel der Pfarrkirche.

Die Zusammenführung von Werken Bruckners mit Werken von Franz Schmidt erwies sich dabei als geniale Verschmelzung. Ein Dreh- und Angelpunkt des Programms war nicht zuletzt Anton Bruckners Streichquartett in c-Moll (1. Satz, Allegro moderato). Moderator Peter Kislinger, bekannt aus dem Kultursender Österreich 1, bereicherte den Abend mit viel Hintergrundwissen und grub wenig Bekanntes aus seinem Fundus.

Standing Ovations waren eine verdiente Geste, die das Publikum aus der Region, aber auch aus Wien, Linz und Salzburg nach diesem Konzert setzte.

Günther Groissböck – der Film

Ein cineastischer Höhepunkt folgte am Tag nach dem Geburtstagskonzert in der Filmbühne Waidhofen. Astrid Bscher, Gewinnerin des „Best Biographical Feature Film“ beim Word Film Festival in Cannes im März 2024, hatte Groissböck zwei Jahre lang mit der Kamera begleitet und dabei intime Einblicke in sein berufliches und privates Leben abgetrotzt.

Aufnahmen bei seinen großen Erfolgen etwa in Verdis „Don Carlo“ an der Metropolitan Opera in New York, der Wiener Staatsoper, in Verdis „Aida“ in der Arena von Verona oder in der Corona-Einsamkeit im Wiener Stephansdom verflocht sie in raffinierten Schnitten mit Einblicken in sein Privatleben: Laufen und Radfahren im Central Park, New York, Bergsteigen im Gesäuse und Familiäres mit Frau Isabella und Tochter Margot
Ob als Wassermann in Antonín Dvořáks Rusalka, als Baron Ochs auf Lerchenau im Rosenkavalier von Richard Strauss oder in Auftritten in Bayreuth, die Filmemacherin zeigt Groissböck in Close-ups und intimen Einblicken und spannte einen faszinierenden Erzählbogen. Auch dann, wenn Operndiva Anna Netrebko von Groissböcks Gesangskunst, aber auch von seinen „blue and sparkling eyes full of joy an happiness“ schwärmt. Der Probenstress wird genauso wenig ausgespart wie nächtliche Autofahrten. Ein unaufgeregter und doch aufregender Film! Vielsagend das Stehbild beim Abspann des Streifens, wo Groissböck in New York City bei roter Ampel auf den Zebrastreifen des Fußgängerüberganges tritt.

Der Film gibt einen Überblick und tut vor allem eines: Er stellt die sympathische und im Ybbstal geerdete Persönlichkeit eines der gefragtesten Sänger der Opernwelt vor.

Norbert Trawöger, künstlerischer Leiter des Brucknerorchesters und Leiter der aktuellen Bruckner Expo, führte im Anschluss an die Filmpräsentation mit Groissböck ein Gespräch auf höchstem Niveau, das bei aller Fachkundigkeit immer wieder spitzbübischen Humor aufblitzen ließ. Zuletzt wird stimmig, wie treffend die Filmemacherin Astrid Bscher den Filmtitel „Ich leb’ allein in meinem Himmel“, aus dem von Gustav Mahler im dritten seiner Rückert-Lieder vertonten Gedichte von Friedrich Rückert entlehnt hat.

Norbert Trawöger, Evelyn Schörkhuber und Günther Groissböck (v. l.) genossen die Präsentation des Films in der Filmbühne Waidhofen.

Tagebuch des Krieges – Ein Abend für den Frieden

Einen Gesangsabend auf Weltniveau und im Widerschein donnernder Weltereignisse, folgte am Freitag, 6. September, im Egererschloss. Günther Groissböck hatte eine Reise durch schwere, tief ins Gemüt fassende Lieder von Robert Schumann, Johannes Brahms, Modest Mussorgski und Gustav Mahler zusammengestellt, die man in diesem Ablauf noch nie gehört hat. Der Krieg, der Tod und die Aussichtlosigkeit der Gewalt bildeten den roten Faden, an dem Groissböck dank seiner unglaublichen Interpretationskunst zuletzt doch die Hoffnung auf Frieden aufzufädeln imstande war.
Dass Groissböck sich dafür entschied, Modest Mussorgskis „Lieder und Tänze des Todes“ in russischer Originalsprache zu singen, war in Anbetracht der Schwere in der Sprache durch nichts zu übertreffen. Ein Gesangsabend, dem keine Beschreibung gerecht werden kann. Als kongeniale Partnerin am Klavier erwies sich Alexandra Goloubitskaia, die in der Pracht ihrer instrumentalen Interpretation der Wucht der Lieder in nichts nachstand.
Die in der Nacht zum Samstag erkrankte Maria Hofstätter wurde bestens von Schauspielerin Maxi Blaha vertreten. Beginnend mit Zitaten aus dem „Neuen Eleganten Konversationslexikon für Gebildete aus allen Ständen“ aus dem Jahr 1835, in dem Krieg kalt und logisch definiert wird, las sie zwischen den Liedern aus Weyrer Soldatenbriefen und Tagebüchern
genauso wie aus Wolfgang Borcherts Schulbuchgeschichte „Dann gibt es nur eins!“ oder Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“. Die Texte wurden von den beiden Intendantinnen Evelyn Schörkhuber und Petra Hartlieb zusammengestellt und trafen in Resonanz mit den Liedern den Veranstaltungstitel: „Ein Abend für den Frieden“.

Freunderlwirtschaft

Petra Hartlieb hat ein neues Buch geschrieben, und dieses wurde am 10. September in der Kulisse in Wien präsentiert. „Freunderlwirtschaft“ heißt es, und nimmt sich in Romanform ironisch bis zynisch der österreichischen Parteipolitik an. Bereits Tage zuvor, am Samstagabend, stellte sie dieses Buch exklusiv bei der KlangRede in Weyer vor, die sie selbst mit Evelyn Schörkhuber gegründet hat und moderiert.

Als Gesprächspartner dafür hat sie sich niemand Geringeren als Kabarettist Florian Scheuba eingeladen, der den Abend mit Witz und Charme moderierte.

Wenn sich eine Musikgruppe „Schrammelbach Ensemble“ nennt, erschließt es sich nicht von allein, dass es die Kunst der beiden Protagonisten – Peter Hudler (Violoncello) und Andreas Teufel (Harmonika) – ist, Musik im Sinne von Johann und Josef Schrammel mit Werken von Johann Sebastian Bach zu verschränken. Das gelang jedenfalls prächtig und zur Freude des Publikums. Wienerlieder von „Schrammelbach“ könnte man als Geheimtipp handeln.

Kabarettist Florian Scheuba im Gespräch mit Petra Hartlieb © Astrid Scharnreithner

Ein paar Leben später

Robert Palfrader ist wahrscheinlich eines der bekanntesten Gesichter Österreichs: Ob als „Staatskünstler“, „Kaiser Robert Heinrich I.“, Kabarettist oder Schauspieler – er verkörpert viele Rollen im Fernsehen und in den Medien.
Am Sonntag, 8. September, stellte er im Egererschloss in Weyer sein Buch „Ein paar Leben später“ vor. Nein, auch er lebt nur einmal, was er aber in das Buch hineingeschrieben hat, das zieht sich über Generationen seiner unglaublichen ladinischen Verwandtschaft.

Ein herzhaftes Gespräch mit Petra Hartlieb, bei dem Hartlieb mehr Katalysator denn Moderatorin des Diskurses war, förderte das zutage. In zahlreichen Anekdoten erstreckte sich das Gespräch bis hin zu einem rudimentären Sprachkurs in Ladinisch. Das Quartett Potzmann/Fruhwirth steuerte jazzige Eigenkompositionen bei und rührte damit eine Melange an Unterhaltung an, die für eine Matinee allerbestens geeignet war. Man hätte den beiden und der Musik noch Stunden zuhören können. Den beiden Intendantinnen kann man nur gratulieren. Festivalbesucherinnen und -besucher hoffen auf ein Dacapo der KlangRede 2025.

Petra Hartlieb und Robert Palfrader © Astrid Scharnreithner
Veröffentlicht am 13. September 2024

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