Interview mit Geschäftsführer Thomas Wagner
Vor sechs Monaten stand die lokale Wochenzeitung „Der Ybbstaler“ kurz vor dem Aus. Das Familienunternehmen Stummer sah sich im Frühjahr gezwungen, das Printmedium aufzulassen, da die anfänglich vielversprechenden Verhandlungen mit Wimmer Medien, die seit dem Druckereikonkurs 2004 51 % des Unternehmens gehalten hatten, ins Leere führten. Die Schließung der fast 140 Jahre währenden, regionalen Institution – bis 2004 weithin als „Bote von der Ybbs“ bekannt – schien unausweichlich. Unerwartete Rettung folgte durch Thomas Wagner, Geschäftsführer von FALKEmedia, im Konsortium mit der Raiffeisenbank Ybbstal und Leo Lugmayr als Herausgeber. Damit „Der Ybbstaler“ ohne Unterbrechung weitergeführt werden konnte, musste im Frühjahr 2024 alles sehr schnell gehen. Zeit zum Nachdenken blieb kaum. Vielleicht war das auch ganz gut so. Karin Novak hat Geschäftsführer Thomas Wagner für eine Halbjahresbilanz zum Gespräch getroffen.

Hast du die Übernahme vor genau einem halben Jahr schon einmal bereut?
Nein, bereut habe ich es noch keine Sekunde! Aber um ehrlich zu sein: Im Frühsommer gab es schon immer wieder einmal Momente, in denen ich mich gefragt habe: Warum tun wir uns das an? Es ist vielleicht ein klein wenig so, als würde man sich ein sehr schönes, altes, ehrwürdiges Haus kaufen und während man in dieses übersiedelt, merkt man erst, was alles zu bewerkstelligen ist, um darin auch leben zu können. Mittlerweile sind wir aber auf einem guten Weg. Insgesamt macht der Ybbstaler einfach eine Riesenfreude!
War die Dringlichkeit der Entscheidung für das Fortbestehen der Zeitung also eher von Vorteil?
Hätte man genauer hinschauen und alles abwägen können, wäre die Entscheidung wohl schwerer gefallen und hätte vermutlich länger gedauert. So aber konnten meine Naivität, die ich übrigens für eine sehr positive Eigenschaft halte, und unsere Ideen und Visionen Oberhand behalten. Die haben für mich einen erheblich höheren Stellenwert als die Stolpersteine, die bei so einem Projekt möglicherweise herumliegen.
Wenn man bedenkt, dass sich Tips aus dem Ybbstal zurückgezogen hat, die Bezirksblätter keine eigene Ybbstal-Ausgabe mehr produzieren und das Momag nun endgültig eingestellt wurde, gehört in jedem Fall auch Mut dazu, an einem Printmedium festzuhalten …
Ein wesentlicher Schlüssel und eine zusätzliche Motivation waren für mich die Mitstreiter. Wären die Raiffeisenbank Ybbstal und Leo Lugmayr der Weiterführung skeptisch gegenübergestanden, hätte mich das verunsichert, so aber war das genaue Gegenteil der Fall: Alle waren von der Idee begeistert und wollten sich einbringen. Dass mehrere Menschen daran glaubten, war für mich essenziell, ich hatte ja keine Ahnung vom Zeitungmachen.
Was waren oder sind die bisher größten Stolpersteine beziehungsweise Herausforderungen?
Die größte Herausforderung war mit Sicherheit, dass die Zeitung trotz Neuübernahme nahtlos weiterläuft. Das ist nur dank der Unterstützung von Regina und Fritz Stummer so gut gelungen. Ihnen gehört auch für die jahrzehntelange Standhaftigkeit gedankt, dafür, unerschütterlich an der Zeitung festgehalten zu haben. Andernfalls hätte sich die Frage der Weiterführung ja gar nicht gestellt. Und wenn man sich die Zahlensymbolik ansieht, war die Übernahme von uns fast ein Muss. Die Zeitung gibt es bald 140 Jahre, ich bin dann 40, als ich 1986 geboren bin, hat der „Bote von der Ybbs“ sein 100-Jahr-Jubiläum gefeiert. Also, wenn das kein Zeichen ist? (lacht) Wesentlich beigetragen zum Weiterbestehen hat auch Traudi Ritt, sie war es, die sich wegen der bevorstehenden Schließung an mich gewandt hat. Nach der Übernahme waren auch einige bürokratische Hürden zu meistern, weil eine Firmenneugründung notwendig war. Die Übersiedlung des gesamten Redaktionsbüros ins FALKEmedia-Haus in die Färbergasse haben wir ebenfalls gut geschafft – und das unbemerkt für den Leser. An dieser Stelle muss ich mich beim ganzen Team bedanken, allen voran bei Chefredakteurin Sandra Grafeneder. Aber auch beim „Ybbstaler“ Urgestein Ruth Maria Grill und bei Claudia Leichtfried. Wären die beiden nicht zu uns mitgegangen, hätten wir wohl auf eine Katastrophe zugesteuert. Ein Segen war auch, dass wir Praktikantin Marlene Steiner ins Team übernehmen konnten. Das aktuell lästigste Thema für uns ist allerdings die Unzuverlässigkeit der Post. Obwohl wir dafür nichts können, es also völlig außerhalb unseres Wirkungsbereiches liegt, möchte ich mich an dieser Stelle bei unseren Lesern für alle Unannehmlichkeiten entschuldigen. Und auch den Aufruf starten: Liebe Leser, wenn es Probleme gibt, werden Sie nicht müde, sich an die Post zu wenden!
Apropos Redaktion: Wie viele Leute braucht es, um den „Ybbstaler“ zu fertigen?
An den Drucktagen, also Montag und Dienstag, ist das Büro mit fünf Mitarbeiterinnen voll besetzt. Die Beiträge für die jeweiligen Ausgaben liefern neben Leo Lugmayr und dir, liebe Karin, etwa zehn freie Redakteure, die aus ihren jeweiligen Heimatgemeinden berichten – von Weyer und Gaflenz über Hollenstein, Opponitz und Ybbsitz bis Böhlerwerk und Kematen und darüber hinaus. Der Druck erfolgt in Pasching, im Haus von Wimmer Medien. Mir persönlich ist es sehr wichtig, in Österreich zu drucken. Viele Zeitungen verlagern mittlerweile ihren Druck, um Kosten zu sparen, ins Ausland.
Was war das bisher schönste Feedback?
Da gibt es sehr viele! Aber am schönsten ist die große Dankbarkeit aus der Bevölkerung, auch aus Politik und Wirtschaft, dass die Zeitung weiter besteht. Die Wertschätzung ist überraschend hoch und lässt sich zusätzlich an den leicht steigenden Abo- und Verkaufszahlen und dem Buchungsvolumen für Inserate ablesen.
Worauf bist du besonders stolz?
Besonders stolz bin ich, wenn mir gesagt wird, dass der „Ybbstaler“ am Küchentisch liegt und von zwei, oft drei Generationen durchgeblättert wird. Oder auch, wenn im Pausenraum von Firmen der „Ybbstaler“ aufliegt, damit „die Leute nicht nur am Handy hängen, sondern was Gscheites lesen“, wie mir schon einige Firmenchefs erzählt haben. Stolz bin ich auf das wirkliche coole „Ybbstaler“-Team, das passt einfach; aber auch der Relaunch der Website www.der-ybbstaler.at ist bestens geglückt, sie ist jetzt übersichtlicher, dynamischer, moderner. Wie wichtig der Online-Auftritt ist, haben wir am dramatischen Hochwasser-Wochenende gesehen: Aktuelle Fotos und Videos haben die Zahlen extrem nach oben geschraubt. Oder auch die McDonalds-Story, die uns nicht nur sehr viele Klicks gebracht, sondern auch für eine angeregte Diskussion in der Facebook-Gruppe „Waidhofen Inside – Innenleben einer Stadt“ gesorgt hat.
Wohin soll sich der „Ybbstaler“ entwickeln? Was soll erhalten bleiben?
Den Kern der Marke „Ybbstaler“ wollen wir unbedingt erhalten, die chronische, regionale Berichterstattung, abseits von reißerischen Schlagzeilen – und das bei parteipolitischer Neutralität. Ich bin überzeugt, dass eine regionale Berichterstattung zur Lebensqualität einer Region beiträgt. Das Ybbstal hat wie viele andere Regionen mit Abwanderung zu kämpfen. Eine lokale Wochenzeitung stärkt meiner Meinung nach das Innenmarketing eines Gebietes. Ich sehe die Hauptaufgabe des „Ybbstalers“ in der unabhängigen Vermittlung von dem, was es bei uns gibt, was wir alles haben. Wenn der Einheimische weiß, was sich bei uns tut, kann er das auch an Gäste weitergeben, können wir möglicherweise Zuzug generieren. Es gibt außerdem Ideen, eine Marke „Ybbstaler“ über die Zeitung hinaus zu etablieren. Die Ybbstaler Online-Jobplattform www.der-ybbstaler.at/jobs gibt es ja bereits, ich könnte mir auch so etwas wie eine Ybbstaler Wirte-Plattform vorstellen, eigene Veranstaltungsformate, vielleicht irgendwann einen „Ybbstaler Podcast“ … Wir sind offen für alles, was noch kommen wird, und glauben, dass da noch viel kommt.
In Zeiten der allgemeinen Teuerung: Wird der Preis für die Zeitung erhöht?
Es ist bereits entschieden, dass 2025 der aktuelle Preis gehalten wird. Irgendwann wird es zwar notwendig werden, aber vorläufig versuchen wir, die allgemeinen Teuerungen, vor denen ja auch wir nicht verschont sind, über steigende Verkaufszahlen abzufedern.
Schon Hesse wusste: „Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.“ Was wünschst du dir für den „Ybbstaler“? Welche Ziele strebst du an?
Ein Wunsch wäre, dass jeder Bürgermeister im Ybbstal jedem Jungbürger und Neuzugezogenen ein „Ybbstaler“-Abo schenkt, damit sich jeder über seine (neue) Heimat besser informieren und sie schneller kennenlernen kann. Ich wünsche mir, dass kein Ybbstaler mehr am „Ybbstaler“ vorbeikommt. Dass der Leser sich – egal ob im Print oder online – über die regionalen Themen, bei uns informiert und jeder, der etwas zu bewerben hat, das bei uns tut. In einem Satz gesagt: Es soll irgendwann keinen Ybbstaler Haushalt mehr ohne Ybbstaler geben.
Wordrap
Die berühmten Drei für die einsame Insel:
1. Der Ybbstaler (vorausgesetzt die Post liefert 😉)
2. Notizbuch, um die ganzen Ideen in meinem Kopf irgendwo zu dokumentieren
3. Handy, weil ein Leben ohne Kontakt zu anderen Menschen für mich unvorstellbar wäre
Wen ich gerne einmal treffen möchte/getroffen hätte: Dietrich Mateschitz
Mein letzter Konzertbesuch: Rammstein
Mein Lebensmotto: Besser riskieren als bereuen!
Glück bedeutet für mich: seine Fähigkeiten und Leidenschaften zu erkennen und auszuleben.
In meiner Freizeit: ziehe ich die Berge dem Fernseher vor.