Veröffentlicht am 27. September 2024

„Ich muss Ihnen etwas sagen!“

Kommentar von Herausgeber Leo Lugmayr

Ende der vergangenen Woche hat mich am Vormittag ein Radfahrer am Unteren Stadtplatz vor dem Papierfachgeschäft Kappus angehalten. Ich kam gerade aus dem Geschäft, in dem ich die Titelgeschichte recherchiert hatte. Der Mann hat dafür nicht einmal seinen Radhelm abgenommen und gemeint: „Ich muss Ihnen etwas sagen!“ Er stieg vom Rad und setzte fort: „Sie können bei der Berichterstattung im „Ybbstaler“ noch mehr in die Breite gehen.“ Dann beschrieb er, was ihm an unserer Zeitung gut gefiele, was ihm weniger zusage, dass er zuallererst die Berichte aus seinem Ortsteil lese, dann die Kultur und erst dann die Politik. Pfarrberichte manchmal.

Der Sport sei für ihn weniger wichtig, aber für seine Tochter sei das wiederum das Um und Auf. Am Stammtisch rede er oft mit seinen Freunden, darunter ein echter Hofrat, über die „Stadtreimereien“. Er wisse ohnehin längst, wer diese schreibt. Er habe mit seiner Tochter gemeinsam ein Abonnement. Manche Beiträge schneide er sich aus und archiviere sie. „Hören Sie noch mehr in die Leute hinein!“ (Das tat ich da ja gerade…) Das fand ich dann doch sehr bemerkenswert! Tun das denn Medien? In die Leute hineinhören und dann schreiben, was die Leute so meinen? Oder wirft man Medien nicht vor, Meinung bilden zu wollen, anstatt sich auf ihre Kernkompetenz und ihren Zweck zu beschränken, nämlich zu berichten und zu informieren?
„Und eins muss ich Ihnen noch sagen“, setzte mein Gesprächspartner fort, „es muss in jeder Ausgabe für jeden und jede etwas Interessantes drin sein! Ganz egal, ob Mann oder Frau, jung oder alt, Kirchengeher oder Sonntagssportler!“ Ich nickte. Die Zeit verflog jedenfalls, und wir kamen – wie man so schön sagt – vom Hundertsten ins Tausendste. Ich hörte zu und hörte zu und hörte wieder zu.

Schließlich packte ich die Gelegenheit beim Schopf, um mich zu verabschieden, nachdem inzwischen mein Parkschein seit zwanzig Minuten abgelaufen war und sich der Parkwächter gefährlich den Unteren Stadtplatz entlang arbeitete. Ich bedankte mich herzlich. Auf dem Weg aus der Stadt dachte ich noch lange nach: Ist denn guter Rat so billig? Oder hat vielleicht gerade dieser Zeitgenosse den Nagel auf den Kopf getroffen?
Und dann fiel mir die Nationalratswahl wieder ein. Hört denn die Politik in die Bevölkerung hinein? Oder versuchen nicht gerade die Politikerinnen und Politiker eher Menschen zu beeinflussen, anstatt sich anzuhören, wo der Schuh drückt?

Im „Ybbstaler“ haben wir versucht, in den vergangenen Wochen so ziemlich alles zu berücksichtigen, was uns die Parteien zugesandt haben. Aber wir haben auch proaktiv zu Interviews geladen und bei Pressekonferenzen unangenehme Fragen gestellt. Manche Beiträge mussten wir stärker oder weniger stark kürzen. Dafür haben wir uns auch die eine oder andere Schelte geholt. (Das halten wir aus!) Manche wahlwerbenden Gruppen haben auf unsere Fragen erst gar nicht geantwortet. Auch gut. Wir haben jedenfalls versucht, ausgeglichen, unparteiisch und breit zu berichten, damit Sie, geschätzte Leserinnen und Leser, sich selbst ein Bild machen können. Wenn Ihnen das für den Sonntag eine Hilfe war, dann erreichten wir vielleicht, was mein Gesprächspartner meinte, wenn er sagte: „Ihr müsst in die Breite gehen!“ Ich wünsche Ihnen einen schönen Wahltag! Nächs­te Woche schreibe ich an dieser Stelle, warum alle Parteien Gewinner sind.

Veröffentlicht am 27. September 2024

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