Veröffentlicht am 18. Oktober 2025

Interview mit Hebamme Beatrix Cmolik

„Wir müssen die Frauen in dem Bewusstsein stärken, dass eine Geburt zum gesunden Bereich des Lebens zählt“

Eine kompetente Schwangerschaftsvorbereitung ist eine gute Grundlage für eine reibungslose Geburt .zVg

Hebamme Beatrix Cmolik ist Leiterin des ProMami-Standortes in Waidhofen. An der neuen Adresse in der Riedmüllerstraße ist auch das Hebammenzentrum untergebracht, das nach der Schließung der Geburtenstation im Landesklinikum Waidhofen vor über einem Jahr eine Versorgung von Schwangeren und jungen Familien in der Region vor Ort ermöglicht und Fahrten in weiter entfernte Landeskliniken erspart

Die junggebliebene 66-Jährige sieht es als ihre Aufgabe, werdende Mütter bestmöglich durch die Ausnahmezeit von Schwangerschaft und Geburt zu begleiten. Mit großem Engagement und viel Herzblut. Im Gespräch erläutert die zweifache Mutter den Unterschied der beiden Institutionen, wie wichtig eine gute Geburtsvorbereitung ist und erzählt von den Herausforderungen, die das Leben gleich beim Start an sie gestellt hat und die sie womöglich zu der Kämpferin gemacht haben, die sie heute noch immer ist.

Zwei unterschiedliche Institutionen an einem Standort können für Verunsicherung sorgen. Wo liegen die Unterschiede zwischen ProMami und Hebammenzentrum?
Ja, prinzipiell handelt es sich um zwei völlig voneinander getrennte Strukturen. Das Hebammenzentrum entstand aufgrund der Schließung der Geburtenstation im Vorjahr, damit es vor Ort einen Ansprechpartner für Schwangere, Babys und junge Eltern gibt. So kann man ihnen lange Anfahrtswege ins Krankenhaus ersparen, wenn sich Fragen nach Blasensprung oder Wehen stellen. Der Standort hat eine Erweiterung der Räumlichkeiten notwendig gemacht, weshalb wir jetzt im Notfall sogar eine Entbindung durchführen können, wenn sich die Fahrt ins Krankenhaus nicht mehr ausgeht. Im Vorfeld werden Beratungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Geburt, Stillen und Wochenbett vorgenommen oder nach der Geburt Gewichtskontrollen, Bilirubin- oder Hörtest durchgeführt. Wobei ich anmerken möchte, da ist noch Luft nach oben. Wir würden uns wünschen, dass das Hebammenzentrum genutzt wird. Viele Frauen wissen um dieses Angebot noch nicht. Mit einem Baby zur Kontrolle in ein weiter entferntes Krankenhaus zu fahren, ist sowohl für die Mutter als auch das Kind eine Belastung und trägt auch nicht zur Entlastung der Spitäler bei. ProMami wiederum ist ein Verein für selbstständige Hebammen und wird ergänzt um den Namen Hebammenhandwerk. In Niederösterreich gibt es mehrere Standorte. Wir verstehen uns als Kompetenzzentrum für Frauengesundheit über Schwangerschaft und Geburt hinaus. Eine einheitliche Qualitätssicherung ist mir ein echtes Anliegen. Dafür habe ich ein Konzept erstellt.

Wer übernimmt die Kosten, die bei Inanspruchnahme des ProMami-Angebots entstehen?
Wir können die Frauen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten auf Krankenkassenkosten betreuen. Nächstes Jahr kommt sogar ein verpflichtendes Mutter-Kind-Pass-Beratungsgespräch bei uns hinzu. Natürlich bieten wir auch ein kostenpflichtiges Angebot. Geburtsvorbereitung wird in Österreich nicht refundiert, weil Hebammen in der Prävention angesiedelt sind und nicht heilen. Es wäre schön, hier eine Änderung zu erwirken. Finanziell schwächer gestellte Frauen werden bei uns dennoch versorgt. Wir suchen immer nach Möglichkeiten, damit auch diese Frauen unser Angebot nutzen können.

Das Hebammenzentrum wird auch auf der Freiwilligenmesse kommendes Wochenende in Waidhofen vertreten sein …
Ja, und wir freuen uns über jeden Interessierten!

Die Geburtenzahlen sind seit Jahren rückläufig, auch im Ybbstal. Rechtfertigt das die Schließung der Geburtenstation im Landesklinikum Waid­hofen?
Es obliegt mir nicht, die Entscheidung des Expertengremiums zu kommentieren. Aber es stimmt. Die Geburtenzahlen sind seit Jahren rückläufig. In Waidhofen und näherer Umgebung sprechen wir im vergangenen Jahr in etwa von 350 Geburten. Diese wurden und werden in den umliegenden Spitälern Steyr, Scheibbs und Amstetten sehr gut betreut. Ich denke, alle Betroffenen haben sich mit der Situation ganz gut arrangiert. Es wäre halt wünschenswert, wenn sich – wie schon gesagt – das Hebammenzentrum noch besser etablieren würde.

Die Einstellung der Frau zur Geburt hat sich in Extremen entwickelt – von Natur pur bis hin zu geforderter Hightech-Medizin. Wie nimmst du das wahr?
Tatsächlich könnten die Haltungen nicht weiter auseinanderklaffen. Da gibt es die, die das Krankenhaus und sein System gänzlich ablehnen und eine, um es überspitzt zu sagen, Alleingeburt im Wald anstreben, und dann gibt es jene, die die physiologische Geburt als völlige Überforderung sehen. Diesen Entwicklungen unserer Zeit müssen wir uns stellen und darin sehe ich die wichtige Rolle der Hebammen, in der Stärkung der Frau. Wir müssen die Frauen im Bewusstsein stärken, dass eine Geburt zum gesunden Bereich des Lebens zählt, wir müssen in der Physiologie bleiben. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Prävention ist hier das Schlagwort.

Sollten wir uns Anleihen bei Frauen der indigenen Völker nehmen?
Da muss man klar differenzieren. Die Frauen von Naturvölkern bewegen sich ganz anders, sitzen nicht den ganzen Tag auf Stühlen herum. Für sie ist eine Geburt etwas Selbstverständliches. Diese Frauen kennen auch keine Beckenbodenproblematik. Sie brauchen nicht einmal monatliche Hygieneartikel, weil sie mit reiner Muskelkraft das Menstruationsblut zurückhalten können. In einem aber stimme ich überein: Den Frauen in der hochzivilisierten Welt muss man wieder ihr Zutrauen in sich selbst stärken, damit sie die Einsatzbereitschaft mitbringen, um gut zu gebären. Sie sollten so unbelastet als möglich in eine Schwangerschaft gehen und dafür braucht es hochkompetente Begleitung.

Die Sterblichkeitsraten von Mutter und Kind sind in den vergangenen 150 Jahren enorm zurückgegangen. Ein Verdienst der Zivilisation?
Ja, sicher, das hängt mit vielem zusammen. Ernährung, Hygienebedingungen, gute Medikamente im Notfall, der Kaiserschnitt ist eine sichere Operation geworden.

Und dennoch: Schicksalhafte Komplikationen wird es immer geben …
Das tut es. Ich selbst bin in der 29. Schwangerschaftswoche mit nur etwas mehr als einem Kilogramm auf die Welt gekommen. Ich lag zweieinhalb Monate mit Zwillingen in einem Wärmebettchen. Meine Eltern durften mich in dieser Zeit nicht einmal sehen, erhielten keinerlei Auskunft. Heute wäre das unvorstellbar. Ebenso, dass mein Vater oder einer der Gäste unseres Gasthauses „Arche Noah“ nach Ybbsitz gefahren ist und in einem Glas Muttermilch von einer Frau geholt hat. Obwohl ich als Frühchen mit allem später dran war, ob Gehen oder Sprechen lernen, meinen Eltern war es immer wichtig, mich so normal als möglich aufwachsen zu lassen. Und dann gibt es Schicksalhaftes, das sich einfach nichts verhindern lässt. Wo es keine Rolle spielt, in welchem Setting die Geburt stattfindet.

Was waren deine berührendsten Geburtserlebnisse?
Jede Geburt ist besonders. Selbst als Hebamme erfährt man jedes Mal einen Hormonschub. Ich weiß dieses Privileg, jemandem, den man gar nicht so gut kennt, derart nahe sein zu dürfen, sehr zu schätzen. Besonders berührende Momente waren jene, wenn es sich um kein ausdrückliches Wunschkind gehandelt
hat, und als das Baby dann da war zu sehen, wie das Herz der Mutter doch aufgegangen ist. Diese Fülle an Glücksmomenten macht
die Hebammenarbeit so wunderbar.

Vielen Dank für das Gespräch!

Wordrap

  • Mein Wunschberuf als Kind: Zahnarzt
  • Die berühmten Drei für die einsame Insel: meine Familie
  • Mein Sehnsuchtsort: ein kleines Dorf auf einer kroatischen Insel, ich sag nicht wo, sonst fahren alle hin (lacht)
  • Wen ich gerne einmal treffen würde/getroffen hätte: jemanden, der mich auf der Frühchen-Station in St. Pölten gepflegt hat
  • Team Hund oder Katze: Katze
  • Serientipp für ein verregnetes Wochenende: Der Sonne entgegen (Anm. d. Red.: eine ORF-Serie von vor über 35 Jahren)
  • Mein letzter Konzertbesuch: ein Neujahrskonzert
  • Was ich schon immer einmal tun wollte, mich aber bis jetzt nicht getraut habe: einen Teil meines Lebens in Kroatien zu verbringen
  • Meine „letzte“ Mahlzeit: Scampi buzara
Veröffentlicht am 18. Oktober 2025

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