Veröffentlicht am 29. März 2025

Interview mit Johann Zanitti-Brunello

„Eine meiner ersten Maßnahmen war das Offenhalten während der Mittagszeit“

Johann Zanitti-Brunello © NoKa

Vor nun bald vier Jahren hat Johann Zanitti-Brunello den Herrenausstatter Pöchhacker am Oberen Stadtplatz in Waidhofen übernommen. Eine Entscheidung, die für den 56-Jährigen außer Frage stand, nachdem ihm sein ehemaliger Chef und Stadtmarketing-Obmann Fritz Hölblinger das Angebot der Übernahme gemacht hat. Wenngleich diese Entscheidung innerhalb der Familie, die inzwischen begeistert mitarbeitet, zum damaligen Zeitpunkt nicht unumstritten war. Bereut hat der dreifache Vater seinen Weg in die Selbstständigkeit mit der Verantwortung für zehn Mitarbeiter noch nie. Redakteurin Karin Novak hat den neuen Firmeninhaber in der alteingesessenen Herrenboutique – am Logo findet sich das Gründungsjahr 1874 – besucht. Da, wo der Modefachmann nach Geschäftsschluss Kunden mit Privattermin berät, erzählt er im Gespräch, wie man es schafft, in der Textilbranche neben den großen Modediskontern erfolgreich zu bestehen.

Woher rührt deine Leidenschaft für Mode und Bekleidung?
Ich glaube, die ist mir in die Wiege gelegt. Als ich noch ein Kind war, gab es am Unteren Stadtplatz das Kinderfachgeschäft Bauer. Dort durfte ich schon sehr klein alleine einkaufen und das hat mir immer ungemein Spaß gemacht. 1985, nach der Pflichtschule, bin ich bei Fritz Hölblinger vorstellig geworden um eine Lehrstelle. Ich kam ein klein wenig zu spät, weil er kurz davor zwei Lehrmädchen aufgenommen hatte. Durch Zufall habe ich dann in einer Zeitung eine offene Lehrstelle beim Ausstatter Gunkl in der Tuchlauben entdeckt. Ich bin nach Wien gefahren, habe mich vorgestellt und konnte sofort anfangen.

Wann bist du dann nach Waidhofen zurückgekommen?
Nach meiner absolvierten Lehre hat mich Fritz gefragt, ob ich nicht bei ihm anfangen möchte. Das war 1988 und seither gehöre ich zum Inventar. 2020 ist Fritz im August seiner schweren Erkrankung erlegen. Im Mai hat er mich zu sich ins Büro geholt und gefragt, ob ich das Geschäft weiterführen möchte. Wir fanden eine für alle gute Lösung. Und so habe ich 2021 die Firma übernommen.

Bist du mit Bauchweh an die Sache gegangen, schließlich war 2021 noch schwer von der Pandemie geprägt?
Nein, gar nicht, ganz im Gegenteil, mit viel positiver Aufbruchsstimmung. Mir war klar, wenn ich Gas gebe, dann schaffen wir das. Ich habe schon früher immer wieder zu Fritz gesagt, wir sollten ein bisschen mutiger werden, uns mehr trauen. Diese Chance kann ich nun nutzen. Es ist nicht alles für eine Boutique am Land modisch umsetzbar, aber ich kann sagen, seit 2022 trägt das Sortiment meine Handschrift und wird gut angenommen. Entscheidungen darüber werden zweimal im Jahr getroffen bei den Messen in Salzburg, München oder Florenz.

Gab es schon mal Fehlentscheidungen? Ladenhüter?
Ich bin ein moderner Kaufmann und sage, es darf bei uns nichts alt werden. Wenn ich sehe, dass etwas nicht geht, weil es vielleicht einen Tick zu modisch gewagt oder zu teuer ist, wird daraus ein Sonderangebot oder kommt in den Schlussverkauf. Das bringt die Jugend ins Geschäft.

Mittlerweile arbeitet fast die gesamte Familie mit?
Mein Sohn Max ist vor eineinhalb Jahren im Geschäft eingestiegen. Er bringt die junge Generation – wir haben unseren Schwerpunkt verjüngt und auf Hochzeitsanzüge und Anzüge für besondere Anlässe gelegt. Das wird sehr gut angenommen. Ebenso unterstützt uns meine Frau Andrea im Büro und meine Tochter Lorena im Marketingbereich – auf Instagram zum Beispiel.

Was braucht es, um in Zeiten von Online-Handel, Modediskontern und sterbenden Innenstädten zu bestehen?
Beratung ist ein wesentlicher Faktor und da spreche ich aus 37 Jahren Erfahrung. Kleidung gibt es überall, aber die Zeit und Beratung wie im Fachhandel erhält man nicht überall. Natürlich kommt es auch auf die Qualität der Ware an. Der Standort hat ebenfalls seine Bedeutung und das Eingehen auf die Bedürfnisse des Kunden. Eine meiner ersten Maßnahmen war das Offenhalten des Geschäfts auch während der Mittagszeit. Waidhofen ist eine Schulstadt, eine Arztstadt, hat über den Ausbau des Radtourismus mittlerweile sehr viele Tagestouristen. Einer meiner ersten Kunden um die Mittagszeit war ein Hausmeninger, der in Waidhofen gegessen und im Anschluss in unserer Auslage etwas gesehen hat, was er probieren wollte. Hätten wir geschlossen gehabt, wäre er deswegen bestimmt nicht mehr extra nach Waidhofen gefahren.

Worin könnte die Stadt hilfreich unter die Arme greifen?
Unglücklich gelöst ist für mich die Parksituation. 70 Cent für eine halbe Stunde sind, meiner Meinung nach, zu teuer. Das Wirte- und Geschäftesterben resultiert aber nicht allein aus einem Parkproblem und ist auch kein reines Waidhofner Problem, es ist ein allgemein innerstädtisches. Man muss auf jeden Fall immer bereit sein, 100 Prozent Einsatz zu leisten. Und auch ich kann das bestätigen: An manchen Samstagen sind wir zu sechst als Verkäufer im Geschäft oft noch zu wenig.

Wenn man sich die Garderobe der 50er- oder 60er-Jahre ansieht, egal ob bei Männern oder Frauen, so hat sie viel an Stil und Eleganz eingebüßt. Worauf führst du das zurück?
Ganz sicher auf die Bequemlichkeit. Aber das ist heute auch keine Ausrede mehr. Die hochelastischen Jersey-Anzüge trägt man wie einen Trainingsanzug. Zu ihm passen auch hervorragend die so gern getragenen Sneakers. Aber wenn wir bei Stil bleiben, dann sage ich, zu einem schönen Woll­anzug müssen es schöne Anzugschuhe sein. Sneakers empfinde ich hier als Fehler. Ich habe auch immer gesagt, ich verkaufe sicher keine Hosen mit Schnürband. Wenn, dann muss zumindest eine Gürtelschlaufe das Einfädeln dieses Bandes ermöglichen, anstatt herunterzuhängen.

Auf welche modischen Trends darf sich die Männerwelt freuen?
Die modische Spitze ist aktuell der gestreifte doppelreihige Anzug in pastelligen Tönen. Mir fällt auch die Rückkehr der Krawatte bei den Jüngeren auf, die war ja für viele Jahre nahezu verbannt außerhalb des Geschäftsbereichs. Insgesamt wird im Frühjahr die Herrenmode wesentlich heller und pastelliger. Ein weiterer Mode­trend, der sich aus dem Vorjahr fortsetzt, sind Strickpolos und Strick-T-Shirts.

Werden auch korpulentere Herren bei dir fündig?
Erst am Samstag war ein Grazer, der zum Heilfasten in Maria Seesal war, im Geschäft, der in einen regelrechten Kaufrausch verfallen ist, weil wir eben Größen bis 62, manchmal 64, bei Hemden Halsweiten bis 48 und Schuhgrößen bis 47 führen. Er hat mir versichert, dass er wieder kommt.

Worin fühlst du selbst dich am wohlsten?
Ich bin der Meinung, ein gut angezogener Mann trägt Anzug. Und darin fühle ich mich auch am wohlsten. Mein großes Faible aber sind Schuhe. Ich habe jedenfalls mehr als meine Frau. (lacht)

Hast du einen Lieblingsdesigner?
Modeschauen interessieren mich natürlich und was es an Besonderem gibt, an Neuigkeiten, aber einen Lieblingsdesigner habe ich keinen.

Was ist für dich die größte Stilsünde?
Was auf keinen Fall geht, ist ein kurzes Hemd zum Sakko. Und weiße Socken in Sandalen.

Du hast einen klingenden Namen. Hast du italienische Wurzeln?
Mein Vater war Italiener. Seine Familie kommt aus einer kleinen Ortschaft bei Udine. Nach Waid­hofen kamen ja früher schon immer wieder Pflasterleger und Brunnenbauer. Mein Vater starb, als ich gut drei Jahre alt war. Ich habe von ihm also nur den Namen mitbekommen, leider habe ich nie die Sprache gelernt. Allerdings habe ich in den 80ern Ahnenforschung betrieben und tatsächlich einen Großcousin in Fagagna ausgekundschaftet und besucht. Marios Kinder und meine sind über die sozialen Netzwerke in Kontakt.

Wir danken für das Gespräch!

Wordrap

  • Mein Wunschberuf als Kind: Modefachverkäufer (lacht)
  • Die berühmten Drei für die einsame Insel: meine Frau Andrea, meinen Hund Timo, Essen & Trinken, damit es uns dreien gutgeht
  • Mein Sehnsuchtsort: Waidhofen
  • Wen ich gerne einmal treffen würde/getroffen hätte: meinen Vater
  • Team Hund oder Katze: Hund!
  • Serientipp für ein verregnetes Wochenende: Peaky Blinders, alleine wegen der Herrenmode
  • Mein letzter Konzertbesuch: vorigen Sommer auf der Burg Clam
  • Was ich schon immer einmal tun wollte, mich aber nicht getraut habe: Tandemspringen
  • Meine letzte Mahlzeit: Wiener Schnitzel auf Bauernart (Anm.: mit Speck und Spiegelei)
Der Modetrend für Herren: helle bis pastellige Farben © NoKa
Veröffentlicht am 29. März 2025

Artikel teilen
Seite
teilen
Seite
teilen
Seite
teilen
Seite
teilen
Seite
teilen
Seite
teilen
Seite
teilen

Mehr zu diesen Themen:

Nach oben scrollen