Veröffentlicht am 5. Juli 2025

Interview mit Thomas Krall und Alexander Riess

Frischer Wind für Waidhofens 75 Jahre junge Volksbühne

Thomas Krall und Alexander Riess im Gespräch © NoKa

Die Grand Dame unter den Theaterbühnen des Ybbstals, die Volksbühne Waidhofen, feiert heuer ihr 75-jähriges Bestehen. Ein guter Zeitpunkt, um frischen Wind hineinzubringen und einen Führungswechsel vorzunehmen. Alexander Riess, seit 2005 Vereinsmitglied, machte das Dutzend noch voll, bevor er die Obmannschaft in diesem Jahr an Thomas Krall übergab. Beide nahmen sich trotz heißer Probenphase von „Trio Immorale“ mit Premiere am 4. Juli im Innenhof von Schloss Rothschild Zeit für ein Gespräch mit Redakteurin Karin Novak. Wieso ein Wechsel an der Spitze unumgänglich war, was der neue Obmann ändern wird, warum Lampenfieber ein wesentliche „Requisite“ ist und vieles mehr erzählen die beiden leidenschaftlichen (Laien-)Schauspieler im Interview

Alex, du hast zwölf Jahre die Geschicke der Volksbühne geleitet. Was waren deine Beweggründe für den Rücktritt?
Riess: Der Hauptgrund war meine Gesundheit. Ich erkrankte im Jänner 2024 an Corona und fasste mit dieser Infektion eine Herzmuskelentzündung aus. Das hat mich körperlich und konditionsmäßig ziemlich zurückgeworfen. Das einheitliche Mantra meiner Ärzte war: Alex, du musst runter vom Gas! Mein Herz ist nur mehr auf Notprogramm gefahren und ich musste mein Stresslevel senken, sonst wäre die Gefahr von bleibenden Schäden am Herz groß gewesen. So aber habe ich weder Vernarbungen noch dunkle Flecken. Ich dachte zwar, ich könnte das Amt mit der tatkräftigen Unterstützung meines eingespielten Vorstandes schaffen, das vergangene Spieljahr zeigte mir aber, dass das nicht funktioniert. Ich war zu schwach, müde, erschöpft und der Anspruch an mich höher, als es mein Körper zuge­lassen hat. Es war also Zeit, etwas grundsätzlich zu verändern und zwölf Jahre sind ein Dutzend und ein weiterer guter Grund, die Staffel zu übergeben und Platz zu machen für neue Ideen, Sichtweisen, einen frischen Wind. Besonders gefreut hat mich, dass der Vorstand bei der Generalversammlung im Februar fast vollzählig erhalten geblieben ist, um den neuen Obmann bestmöglich zu unterstützen.

Was war das Highlight aus diesen zwölf Jahren?
Riess: Für mich war jedes Stück ein gewisses Highlight. Je nach Wetterlage haben wir im Sommer bis zu 3.500 Besucher und auch im Herbst sind wir sehr gut ausgelastet. Das wahre Highlight ist für mich die Zusammenarbeit im Verein. Wir sind etwa 100 Mitglieder
und alle sind ehrenamtlich, mit Herzblut und unzähligen Stunden im Jahr dabei. Es mag kitschig klingen, aber die Volksbühne ist wie eine zweite Familie. Das sucht seinesgleichen. Ja, das ist mein Highlight, dieser zusammengeschweißte Verein.

Gab es in dieser Zeit auch Hoppalas?
Riess: Sogar Unmengen (lacht). Schauspieler, die von der Bühne runtergefallen sind und trotzdem weitergespielt und -gesungen haben, oder welche, die trotz einer Meniskus-Operation auf der Bühne standen, oft schon waren die Proben extrem lustig, wenn Verwechslungen passierten, man könnte ein Buch schreiben. Schreiben wir eines!?
Krall: Noch nicht, aber ist keine schlechte Idee.

Bleibst du der Volksbühne in anderer Funktion erhalten?
Riess: Selbstverständlich! Ich bleibe als einfaches Mitglied erhalten und arbeite gerne dort mit, wo man mich braucht – ob Platzanweiser, Programmheftausteiler, Abwäscher, Glaslwischer, aber auch wenn es um Sponsoren oder spezielle Gäste geht, werde ich das gerne übernehmen.

Frage an den Schauspieler in dir: Gibt es eine Wunschrolle, die du einmal verkörpern möchtest?
Riess: Eine spezielle Rolle? Wir haben vor ein paar Jahren das Stück „Das perfekte Desaster-Dinner“ gespielt, da gibt es eine Rolle, die mich sehr anspricht. Ich bin weniger im ernsten Fach zu Hause, ich bin eher der Komödiant, brauche eine lus­tige Rolle, wo ich mich ein bisserl zum Depp machen kann.

Herr Krall, wie viel Bedenkzeit bedurfte es, als man mit dem Amt des neuen Volksbühneobmanns an Sie herangetreten ist?
Krall: Keiner von uns hat mit Alex‘ Rücktritt gerechnet. Das war erstmal ein Schock. Aber die Gesundheit geht natürlich vor. Ich habe – nachdem ich mit meiner Frau gesprochen hatte – gesagt, wenn es keiner macht, dann stelle ich mich zur Verfügung. Es ist mir eine Ehre, das Amt zu bekleiden. Mir war bewusst, dass viel Arbeit dahinter steckt, dass es aber so viel Arbeit sein wird, hat mir keiner gesagt. (lacht)
Riess: Man unterschätzt das, weil die viele Arbeit im Hintergrund nicht gesehen wird. Es ist nicht damit getan, sich vor der Aufführung auf die Bühne zu stellen und das Publikum zu begrüßen. Das ist das Schöne an der ganzen Geschichte. Als Obmann hat man meist keine Zeit für eine Rolle, da waren diese drei Minuten für mich der kleine Bonus, um das Bühnenfeeling zu spüren, den Applaus. Die Hauptarbeit besteht aber in der Koordination der vielen Themen, dem Managen von Problemen, den Abstimmungsgesprächen mit Bürgermeister, Bauamt, Sponsoren, der Pressearbeit, aber auch den Befindlichkeiten der Mitglieder. Das ältes­te ist über 80, das jüngste fünf Jahre, da muss man gelegentlich auch ein guter Psychologe sein. Ich habe zum Glück mit Thomas Krall einen perfekten Nachfolger gefunden. Aber ich kann nicht leugnen: Der Rücktritt ist schon mit ziemlicher Wehmut behaftet.

Wodurch wird sich die Ära Krall von der Ära Riess unterscheiden?
Krall: Die unterscheidet sich jetzt schon ein wenig. Ich habe nicht vor, mich in diesem Amt zu zersprageln und habe Teams eingeführt, damit Leute, die etwas besser können und mehr Ahnung von einem Thema haben als ich, das dann auch machen. Ich habe zum Beispiel ein Team für den Social-Media-Bereich installiert, das sich um unseren virtuellen Auftritt kümmert, oder auch eine Anlaufstelle für neue Mitglieder. Niki Kronsteiner ist für Neulinge zuständig und führt sie in unseren Verein ein. Manches aber bleibt Chefsache, etwa Weiterbildung oder die neue Homepage, die ich gemeinsam mit Christoph Marcik in die Hand nehme. Eines ist am Ende des Tages aber wichtig: Ich muss über alles Bescheid wissen, was passiert. Und dann möchten wir künftig auch über unseren Tellerrand hinausschauen. Oder anders formuliert: Wir wollen vermehrt rausgehen, uns als Verein abseits vom Theater mehr am gesellschaftlichen Leben in Waidhofen beteiligen. So waren wir etwa bei der Stadtmeisterschaft des Schützenvereins dabei und haben eine Mannschaft beim Stadtlauf gestellt. Das ist es, was ich anders mache als Alex, der vieles selbst gemacht hat. Ob anders besser ist, sollen andere entscheiden.

Ist die Aufregung eine andere, wenn man erstmals als Obmann die Premiere der Sommerschlosshofspiele eröffnet?
Krall: Ich spiele im aktuellen Stück den nicht mehr ganz so jugendlichen Liebhaber Paolo (lacht), weshalb auch mein Bart weichen musste. Wenn man aber eine Rolle besetzt, dann sollte man sich ausschließlich auf diese konzentrieren. Die Begrüßung erfolgt daher heuer nicht durch den Obmann, sondern immer von jemand aus dem Vorstand. Die Premiere übernimmt Christoph Marcik.

Wie und wann sind Sie zur Volksbühne gekommen?
Krall: Ich bin seit 2016 dabei. Damals wurde ich unabhängig voneinander von zwei Seiten angefragt. Alex und ich kennen uns seit der Schulzeit, der hat meinen Vater gefragt, ob ich eine Statistenrolle bei „In 80 Tagen um die Welt“ annehmen würde, und meine Frau ist eine Arbeitskollegin von Niki Kron­steiner, die hat bei meiner Frau angefragt. Ich wollte schon als Kind Schauspieler werden, also hab ich da gerne zugesagt. Die Aufnahme in den Verein war so herzlich, so familiär, dass ich geblieben bin.

Frage auch an Sie als Schauspieler: Gibt es eine Wunschrolle oder ein Wunschstück, das Sie gerne zu Aufführung brächten?
Krall: Die Rolle des von mir hochverehrten Otto Schenk in „Die Sternstunde des Josef Bieder“ würde mir gefallen und im Ensemble könnte ich mir den Hercule Poirot in einem Agatha-Christie-Stück gut vorstellen. Ich glaube, den könnte ich ganz gut verkörpern.

Hat man als erfahrener Schauspieler immer noch Lampenfieber vor einer Aufführung oder legt sich das mit der Zeit?
Riess: Unbedingt! Es wäre auch schlecht, wenn man es nicht hätte. Das Lampenfieber sorgt für den Adrenalinschub, pusht die Konzentration zur Höchstform. Dieser Nervenkitzel macht einen sogar süchtig, dieses Herzklopfen vor dem Auftritt, ja, das braucht es, um gut zu spielen. Das sagen selbst Schauspieler wie Michael Niavarani oder Viktor Gernot. Sogar diese großen Profis, die wirklich auf der Bühne glänzen, sind nervös und fiebern vor ihren Auftritten.
Krall: Dem kann ich mich nur anschließen! Ich halte Lampenfieber für sehr wichtig und sehe Parallelen zum Sport. Wenn man am Start steht, das Piepsen losgeht, man auf den Einsatz fokussiert ist – so ist es auch vor dem Auftritt. Man geht konzentriert den Text durch, kontrolliert Requisiten und Garderobe und sobald man auf die Bühne tritt und in der Rolle ist, ist auch die Nervosität weg. Ich finde es sogar gefährlich, wenn einer sagt, ich spüre nichts, bin kein bisschen nervös. So verpatzt man Auftritte, hat Texthänger, vergisst Requisiten. Ich habe Lampenfieber bis zur letzten Aufführung – und bin froh darüber.

Vielen Dank für das Gespräch!

Wordrap Thomas Krall

  • Mein Wunschberuf als Kind: Schauspieler
  • Die berühmten Drei für die einsame Insel: meinen Tolino (Anm. d. Red.: E-Book-Reader), eine gute Badehose und etwas, um Kochen zu können
  • Mein Sehnsuchtsort: London, Bad Blumau
  • Wen ich gerne einmal treffen würde/getroffen hätte: Fantasy-Autor Terry Pratchett, J.R.R. Tolkien, Hugh Jackman, Otto Schenk
  • Team Hund oder Katze: Katze
  • Serientipp für ein verregnetes Wochenende: Criminal Minds
  • Mein letzter Konzertbesuch: Bruce Springsteen
  • Was ich schon immer einmal tun wollte, mich aber bis jetzt nicht getraut habe: Fallschirmspringen
  • Meine „letzte“ Mahlzeit: Wiener Schnitzel mit Petersilkartofferl

Wordrap Alexander Riess

  • Mein Wunschberuf als Kind: Astrophysiker
  • Die berühmten Drei für die einsame Insel: meine Familie, meinen Napoleon-Griller und ein Segelschiff
  • Mein Sehnsuchtsort: Segelschiff
  • Wen ich gerne einmal treffen würde/getroffen hätte: meinen vor 25 Jahren verstorbenen Großvater, aber gerne auch Michael Niavarani oder Philipp Hochmair
  • Team Hund oder Katze: eindeutig Hund, obwohl ich auch zwei Katzen habe
  • Serientipp für ein verregnetes Wochenende: Andor, Orphan Black und Big Bang Theory und Friends gehen sowieso immer
  • Mein letzter Konzertbesuch: Rammstein
  • Was ich schon immer einmal tun wollte, mich aber bis jetzt nicht getraut habe: den Segelschein zu machen
  • Meine „letzte“ Mahlzeit: ein Steak
Veröffentlicht am 5. Juli 2025

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