Kommentar von Herausgeber Leo Lugmayr
AAls „Würstelpopulismus“ bezeichnete eine EU-Abgeordnete die Debatte, die jüngst das Europäische Parlament erschütterte. Auf der Agenda stand die Frage, ob sich pflanzliche Produkte im Verkaufsregal weiterhin Gemüse-Burger, Veggie-Wurst oder Soja-Schnitzel nennen dürfen. 355 Abgeordnete stimmten für das Verbot, 247 waren dagegen, 30 enthielten sich. Eines ist klar: Konsumentinnen und Konsumenten sollten sich ohne großen Aufwand und Lesen von Beipackzetteln oder Kleingedrucktem vergewissern können, ob das gekaufte Produkt aus Fleisch besteht oder ob es sich um eine pflanzliche Imitation handelt. Bei Milch ist das längst klargestellt: Der Europäische Gerichtshof entschied 2017, dass als Milch nur Erzeugnisse bezeichnet werden dürfen, die aus der „normalen Eutersekretion“ von Tieren gewonnen werden. Das Gleiche gilt für die Bezeichnungen von Milchfolgeprodukten als „Käse“ und „Butter“. Davon ausgenommen ist Kokosmilch. Hafermilch muss sich seither „Haferdrink“ nennen.
Als ich kürzlich in einem Wiener Lokal „Vleisch-Leibchen“ entdeckte, dachte ich zuerst an einen Druckfehler mit falschen „V“ statt „F“. Der Zusatz „vegan“ klärte mich darüber auf, dass die alternative Schreibweise das Wesen als Ersatzprodukt zum Ausdruck brachte. Dass ein „Hotdog“ kein Hundefleisch enthält, ist wohl hinlänglich bekannt. Diesbezüglich können Firmennamen täuschen: Im Westen der USA gibt es eine Fastfood-Kette mit dem vielversprechenden Namen „Wienerschnitzel“. Was es dort aber nicht gibt, sind Wiener Schnitzel. Denn das 1961 von John Galardi gegründete Unternehmen ist auf Hotdogs aller Art spezialisiert und macht mit den Würstelweckerln in mehr als 300 Restaurants in zehn US-Bundesstaaten über 300 Millionen Dollar Umsatz. Die darin servierten Frankfurter heißen auf der Karte „Wiener“ Würstel. Der Name „Frankfurter Würstchen“ ist in Deutschland seit 1860 als geografische Herkunftsbezeichnung geschützt und darf seit 1929 nur für Würstchen verwendet werden, die tatsächlich aus dem Raum Frankfurt/Main stammen. Außerhalb Deutschlands gilt Frankfurter hingegen als Gattungsbezeichnung und ist daher nicht geschützt. Weltweit sind die Frankfurter ja ohnedies als „Wiener Würstel“ oder „Wienerli“ bekannt.
Ameisenkuchen enthalten keine Insekten, außer in China, wo diese als Delikatesse gelten. Zimtschnecken haben mit den gleichnamigen Weichtieren nichts zu tun. Dass „Katzenzungen“ nicht tierischen Ursprungs sind, sondern aus Milchschokolade hergestellt werden, und der in der Konditorei angebotene „Bienenstich“ für Allergiker unbedenklich ist, dürfte bekannt sein, genauso wie der Umstand, dass ein Rollmops niemals gebellt hat. Wenn ich beim Fleischhauer um eine Fledermaus frage, weiß man dort, dass es sich um ein Edelstück Rindfleisch aus der Hüfte handelt und nicht um einen geflügelten Blutsauger. Weiterhin werde ich bedenkenlos „Gebackene Mäuse“ am Wochenmarkt oder bei den Damen der Goldhaubengruppe kaufen, ohne die namensgebenden Nager darin eingebacken zu vermuten. Und wenn ich die nächste Schachtel Schwedenbomben öffne, hoffe ich, dass nicht das drin ist, was draufsteht.

