Veröffentlicht am 10. Januar 2025

Motorsport erleben – hautnah und in Echtzeit

Interview mit Philipp Lietz

Vor drei Jahren gründeten fünf Ybbsitzer das Start-up VBR (Virtual But Real) Playground. Hochmoderne Technologie ermöglicht Motorsport- und Racing-Fans die Steuerung von Modellautos in einem Rennsimulator mit einer Präzision, als säßen sie selbst im Cockpit. Die übertragenen Daten zwischen dem Sitz im Simulator und dem gesteuerten Auto machen für den Fahrer g-Kräfte und selbst Unebenheiten auf der Fahrbahn spürbar. Das Interesse am schnellsten teleoperierten Rennsystem der Welt ist groß, wie die beeindruckenden Social-Media-Zahlen belegen: über 200.000 Follower und über 200 Millionen Views auf TikTok und Instagram. Redakteurin Karin Novak hat den ehemaligen NASCAR- und Rallye-Fahrer Philipp Lietz, CEO von VBR Playground, zum Gespräch getroffen, da, wo man Burschen mit Benzin im Blut eben trifft, auf der Tankstelle im Lietz-Laden.

Philipp Lietz, CEO von VBR Playground

Wie entstand die Idee zu VBR und wer ist aller mit an Bord?
Die Idee ist schon sechs, sieben Jahre alt und stammt von meinem ehemaligen Rallye-Beifahrer Thomas Steinber. Motorsport ist ja grundsätzlich teuer und um ihn für jedermann zugängig zu machen, meinte er, es wäre cool, wenn man kleine Modellautos über einen Rennsimulator steuern könnte. Von der Idee bis zu den ersten kleinen Tests im Wohnzimmer waren Paul Aigner, unser Software-Ingenieur, und Thomas für die Hardware verantwortlich. Da war viel Tüftelei notwendig, eine Daniel-Düsentrieb-Mentalität, weil wir ja keine herkömmliche Simulation, sondern etwas Reales schaffen wollten, wo eben echte Rennphysik erlebbar wird, man am Sitz spürt, was das kleine Auto macht. Dafür bauen wir auf normale ferngesteuerte Autos unsere Brainbox – wie wir sie nennen – mit Kamera und Platine drauf. Die Platine misst die einwirkenden Kräfte und überträgt die Daten zwischen Auto und Sitz hin und her. Mein Bruder Richard hat als Porsche-Werksfahrer zur Entwicklung beigetragen und ist unser Botschafter und Networker. Michael Welser ist als Business Angel, also Investor, dabei und ich kümmere mich um Vermarktung und Kommunikation. Gemeinsam haben wir vor drei Jahren das Start-up ins Leben gerufen. Unser Office haben wir im ehemaligen Saunasolarium vom Paul. Anders als in Amerika ist unser Start-up keine Garage, sondern ein altes Gasthaus.

Welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus der Zusammenarbeit mit Freunden?
Bei Diskussionen ist die Trennwand oder Reflexion zu reinen Arbeitskollegen vermutlich größer als bei einem Freund. Unter Freunden geht es bei unterschiedlichen Meinungen vermutlich emotionaler zu. Andererseits glaube ich, dass man mit Freunden wesentlich mehr erreichen kann. Ein Start-up ähnelt für mich einer Achterbahn. Die Höhen und Tiefen, vor allem die schwierigeren Zeiten, meistert man unter Freunden besser. Oder auch wenn man die investierte Zeit bedenkt … allein in Pauls Software stecken mindestens 5.000 Stunden Arbeitszeit. Müssten wir die zu einem marktüblichen Stundensatz vergüten, wäre das kaum finanzierbar. Aber so konnten wir mit einem überschaubaren Budget schon viel erreichen.

Die – internationale – Resonanz auf eure Innovation ist gewaltig …
Ja, mittlerweile gibt es kein Land, aus dem wir nicht Anfragen haben – von Nepal bis Panama ist alles dabei. Vor Kurzem haben wir ein System nach Las Vegas verkauft. In Amerika haben uns die Leute aufgrund der Videos auf Instagram und TikTok erkannt. Darum haben wir uns jetzt gesagt, es ist an der Zeit, auch in der Heimat bekannter zu werden. In Kooperation mit dem City Center Amstetten haben wir eine Pop-up-Rennstrecke installiert. Bis Ende Jänner kann man noch im CCA unsere Rennstrecke tes­ten und um die beste Rundenzeit kämpfen. Die Rennstrecke nutzen nicht nur Motorsport- und Technikfans, sondern auch B2B-Interessierte, die sich von unserem System live überzeugen wollen. Wir konnten schon potenzielle Kunden aus Deutschland, Indien und Finnland in Amstetten begrüßen. Ein hochfrequentiertes Einkaufszentrum aus Dubai hat ebenfalls Interesse bekundet. Unser nächstes Projekt bezieht sich aber zunächst auch auf die Region. Im März gehen wir mit dem VBR-Talent-Cup an den Start.

Was darf man sich darunter vorstellen?
Acht Firmen aus der Region stellen jeweils zwei Lehrlinge, die gegeneinander antreten. In vier Rennen ermitteln wir so den VBR-Talent-Cup-Meister. Mit dabei sind schon die Unternehmen Welser Profile, Edelsegger, Fuchs Metalltechnik, HMW oder auch Reifen Weichberger. Zwei Plätze sind noch frei. Wer also Interesse hat, kann sich gerne bei uns melden.

Du selbst bist auch erst seit Kurzem wieder im Lande …
Ich bin seit Oktober wieder in Ybbsitz. Ich bin für ein Jahr nach Hamburg gegangen, wo ich die Ausbildung für Texten und Kreativ­konzeption absolviert habe. Es war ein intensives Jahr mit jedem Tag von neun bis fünf Uhr Praktikum in den Werbeagenturen Jung von Matt und TankTank, von sechs bis neun Schule und an den Wochenenden Hausaufgaben. Das war tatsächlich sehr sportlich, weil man als Praktikant ja kaum etwas verdient und ich nebenher auch noch als Freelancer arbeiten musste, um die Finanzierung zu stemmen. Aber ich habe viel gelernt und hatte natürlich auch eine lustige Zeit. Das Erlernte, das Verbinden von Wirtschaftlichem und Kreativem, kann ich bei VBR gut einbauen.

Was unterscheidet Hamburg von Ybbsitz?
Der Dialekt … und in Ybbsitz gibt es weniger Fischbrötchen. (lacht und denkt kurz nach) Der Umstieg von Hamburg auf Ybbsitz war alles andere als leicht. In Hamburg ist einfach immer etwas los, vor allem auch in kultureller Hinsicht, dafür hat man am Land die Ruhe und die Natur. Einfach im Bach baden zu gehen und nebenbei das Wasser daraus trinken zu können, ist eine ganz eigene Qualität. Eines haben die Ybbsitzer und die Hamburger aber gemeinsam: Es braucht Zeit, bis sie jemanden an sich heranlassen, wenn man da einmal durchgedrungen ist und es passt, hat man wahrscheinlich Freunde fürs Leben.

Bist du zurückgekommen, um zu bleiben?
Die vergangenen Jahre habe ich tatsächlich viel aus dem Koffer gelebt.
Die vergangenen sieben Jahre war ich jeweils von Jänner bis März in Finnland und habe als Instruktor im Rahmen der Porsche Ice Experience Leute beim Autofahren und Driften auf Eis gecoacht. Im Sommer wurden die Trainings dann auf europäischen Rennstrecken abgehalten. Da habe ich Privatpersonen in ihren Porsches unterwiesen. Ich war also wirklich viel unterwegs und merke jetzt, dass etwas in mir schlummert, das ich so noch nicht gekannt habe, wo es mehr in Richtung Sesshaftigkeit geht. Ob das Ybbsitz sein wird oder Waidhofen oder Wien, kann ich jetzt noch nicht sagen. Es ist jedenfalls cool, wenn man in die Welt hinausgelassen wird, aber es ist noch besser, Wurzeln zu haben, zu denen man zurückkehren kann. In genauso einem Umfeld durfte ich aufwachsen.

Herzlichen Dank für das Gespräch und den wunderbaren Kaffee!

Wordrap

  • Mein Wunschberuf als Kind: Erfinder
  • Die berühmten Drei für die einsame Insel: drei liebe Menschen
  • Mein Sehnsuchtsort: Maui auf Hawaii
  • Wen ich gerne einmal treffen würde/getroffen hätte: meinen Opa, den habe ich leider nicht wirklich kennengelernt
  • Team Hund oder Katze: ganz klar Hund
  • Mein letzter Konzertbesuch: Wanda
  • Serientipp für ein verregnetes Wochenende: Sorry, ich schau nicht fern, das ist mir zu langweilig.
  • Was ich schon immer einmal machen wollte, mich aber nicht getraut habe: bei einer PowerPoint-Karaoke mitmachen
  • Meine Henkersmahlzeit: Semmelknödel
Die innovative Technologie begeistert Motorsportfans ebenso wie Technikfreaks. © vbr-playground

Veröffentlicht am 10. Januar 2025

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