Kommentar von Herausgeber Leo Lugmayr über Politik, Kultur und das schöne Ybbstal
Da soll noch einmal jemand sagen, Politik hat keinen Humor! Bei der jüngsten Sitzung des Waidhofner Gemeinderats am Montag, 26. Mai, kurz vor Drucklegung dieser Ausgabe, kam es zu einer gleichermaßen herzlichen wie skurrilen Situation. Bei Tagesordnungspunkt vier, bei dem es um eine unwesentliche Abänderung des örtlichen Raumordnungsprogramms ging, ließ sich Berichterstatter Josef Frühwald zu der Bemerkung hinreißen: „Im nächsten Punkt geht es um eine Umwidmung in der schönen Katastralgemeinde St. Leonhard“. Das Wort „schön“ ließ nicht nur Bürgermeister Werner Krammer schmunzeln, wie man am Sitzungsvideo gut sehen kann, sondern löste allgemeines Zustimmungsraunen aus. Den Ball nahm der Bürgermeister sogleich auf, als er den darauffolgenden Tagesordnungspunkt mit den Worten einleitete: „Damit kommen wir zur nächsten ,schönen‘ Katastralgemeinde, Herr Andreas Pechgraber“. Ein Tagesordnungspunkt zu einer Abänderung der Raumordnung in Konradsheim folgte. Wenig später legte Gemeinderat Lukas Hintsteiner noch eins drauf, indem er wörtlich einen Antrag aus der „wunderschönen Katastralgemeinde St. Georgen in der Klaus“ zur Abstimmung vorlegte. So „schön“ ist es also bei uns im Ybbstal.
Mancher Zaungast mag sich da an das Kinderbuch „Oh, wie schön ist Panama“ erinnert haben. Diese Geschichte aus der Feder des preisgekrönten Kinderbuchautors Janosch hat zum Thema, wie der kleine Tiger und der kleine Bär mit der Tigerente im Schlepptau nach Panama reisen und schließlich nirgendwo anders ankommen als zu Hause. Dieses Zuhause erleben sie aber nach der strapaziösen Reise nun noch viel schöner, als sie es zuvor gesehen hatten. Mancher oder manchem von uns Ybbstalerinnen und Ybbstalern mag es auch schon so ergangen sein, wenn sie oder er aus dem Urlaub heimgekommen ist. Daheim ist es ja doch am schönsten, hört man da oft.
Der Mittelamerika-Staat Panama, den ich vor Jahrzehnten im Rahmen einer 14 Monate langen Tour durch Nord- und Südamerika bereist habe, hat vom Panamakanal abgesehen ja wenig Beeindruckendes. Brasilien, Kolumbien, Chile oder Guatemala haben da viel tiefere Eindrücke hinterlassen und trotzdem bestätigt: „Oh, wie schön ist das Ybbstal!“ Aber darum geht es auch nicht. Panama steht in dem Buch als Chiffre für einen Sehnsuchtsort, den wir oft nur in uns selbst finden. Dazu macht es uns das Ybbstal leicht, wenn wir uns in den vergangenen Wochen im frühlingsgrünen Land zu Fuß oder am Rad umgesehen haben. Eine geschätzte Musikliebhaberin, die schon hoch in ihren Neunzigern angekommen ist, aber es in ihrer Geistesfrische mit jedem Mittvierziger aufnehmen kann, regte kürzlich am Rande eines Konzerts lediglich an: „Schade, dass die Frühlingswiesen immer schon abgemäht werden, bevor sich die Blumen so richtig entwickeln können.“ Jedenfalls trieb das Ybbstal in den vergangenen Wochen bunte kulturelle Blüten: der Literaturzyklus Lesezeichen, das Konzert der Cantores Dei, Perkussionistin Vivi Vassileva im Klangraum, Philipp Hochmair, Hildegard Kugler, 125 Jahre Singgruppe Böhlerwerk, Filmmusik mit Chor und Musikverein Ybbsitz oder Harri Stojka in der Klangschmiede. Nur die Eisheiligen haben mir zu lange gedauert. In Panama wäre es wärmer gewesen.