
Johann „Hansi“ Freudenschuß jun. führt in vierter Generation das Familienunternehmen in Hilm mit Filialen in Hausmening und Ardagger. Der 31-Jährige ist nicht nur Arbeitgeber für zehn Mitarbeiter, er muss aus dieser Verantwortung heraus auch schwierige Entscheidungen treffen, wie etwa das Zusperren des Gasthauses vor knapp einem halben Jahr. In der ehemaligen Gaststube erzählt er Karin Novak, warum es zur Schließung gekommen ist, und vieles mehr.
Das Gasthaus Freudenschuß war eine jahrzehntelange Institution. Nun steht an der Eingangstür „vorübergehend geschlossen“. Dürfen die eingesessenen Stammgäste auf eine Wiedereröffnung hoffen?
Eher nicht. Diese Entscheidung musste ich aus der Not heraus treffen, denn Personal war nicht zu bekommen. Ich stehe jeden Tag um halb fünf Uhr auf, da kann man nicht selbst bis spät in die Nacht im Wirtshaus stehen. Es war keine leichte Entscheidung. Und einige waren natürlich nicht begeistert, das verstehe ich auch, aber ich muss wirtschaftlich denken und entsprechend umstrukturieren. Und die Verkaufszahlen geben mir recht.
Essen hat für dich eine zentrale Bedeutung …
Ja, unbedingt. Essen war und ist mir schon immer wichtig gewesen. Nach der HLW-Matura habe ich einige Zeit als Kellner im Restaurant Kastner gearbeitet. Und nach dem Zivildienst beim Roten Kreuz in Waidhofen war ich Flugbegleiter, zuerst bei Niki, dann bei Lauda. Gerade in dieser Zeit, als es noch Essen in den Fliegern gegeben hat, aber auch bei den Auslandsaufenthalten, ist mir einiges untergekommen, was mein Bedürfnis nach Qualität und Herkunft der Produkte zunehmend größer werden ließ. Das hat sicher auch zur Entscheidung beigetragen, als Kabinenchef abzudanken und Fleischermeister zu werden.
Gibt es Flüge, die dir in besonderer Erinnerung geblieben sind?
Also die Sonderflüge mit Red Bull Salzburg, Rapid Wien oder dem ÖFB waren alle besonders. Bei Fanflügen herrscht im Flieger immer eine extrem coole Stimmung. Ein unvergesslicher Flug war auf jeden Fall 2016 der Flug nach Bordeaux zur Europameisterschaft. Unter den Fans waren Manager der Bundesliga, die haben uns Crewmitgliedern Karten für das Match gegen Ungarn besorgt. Wir haben leider verloren, darum war die Stimmung beim Rückflug nicht ganz so ausgelassen. Und dann war da noch der Flug mit Pamela Anderson, die Veganerin ist. 2014 waren allerdings die einzig veganen Lebensmittel an Bord Mannerschnitten. Die wollte sie zwar auch nicht, sie ist aber trotzdem super freundlich geblieben. Und mit Lindsay Lohan sind wir nach Ibiza geflogen.
Gab es auch unangenehme Vorfälle?
Den einen oder anderen medizinischen Notfall hatten wir schon auch, aber zum Glück war nichts Lebensbedrohliches dabei. Trotzdem war man froh, wenn ein Arzt an Bord war. Was ich nie verstanden habe, war die Unverschämtheit mancher Menschen. Es gab welche, die sich aufregten, weil sich aufgrund des Notfalls der Bordservice verzögert hat. Schlimm waren auch manche Mallorca-Flüge, wenn zu viel Alkohol im Spiel war. Als Mann hatte man es da ein bisschen leichter, aber die Kolleginnen mussten oft mit sexualisierten Übergriffen zurechtkommen. Solche speziellen Gäste kann man leider nicht einfach des Fliegers verweisen. Aber das ist mittlerweile bald fünf Jahre Geschichte. Meinen letzten Arbeitstag hatte ich am 15. Dezember 2019. Ein perfekter Zeitpunkt, weil ab März 2020 aufgrund der Pandemie alle Flieger gestanden sind. Für mich war es wichtig, dass ich selbst den Schlussstrich ziehen konnte und nicht von außen, sei es wegen der Umstände oder von der Familie, dazu gedrängt wurde. Am 16. Dezember habe ich dann zu Hause mit der praktischen Ausbildung begonnen. Es war zeitlich ziemlich knapp, weil mein Vater 2022 in Pension ging. Kurz vor seinem Pensionsantritt habe ich die Lehrabschluss- und Meisterprüfung abgelegt, beides an einem Tag. Dass ich die Meisterprüfung mit Auszeichnung schaffen würde, hätte ich mir nicht träumen lassen.
Die Übergabe eines Unternehmens bringt oft Schwierigkeiten und Konflikte mit sich. Unterschiedliche Generationen haben unterschiedliche Herangehensweisen. Wie geht ihr damit um?
Mein Vater ist noch immer Besitzer, ich bin Geschäftsführer. Wenn große Entscheidungen oder Investitionen anstehen, besprechen wir das und entscheiden gemeinsam. Ich wäre ungeschickt, würde ich auf seine Erfahrung verzichten. Dass es gelegentlich auch Meinungsunterschiede gibt, ist, glaube ich, ganz normal. Dann muss man halt die besseren Argumente finden und den anderen überzeugen.
Die Familie ist aber bestimmt froh, dass du in vierter Generation den Fleischereibetrieb übernommen hast …
Ja, sicher, und sie unterstützen mich auch alle. Mein Vater arbeitet noch immer mit und mein Opa mit 91 Jahren auch. Von beiden habe ich gesehen und gelernt, was Selbstständigkeit bedeutet. Mir war bewusst, dass die viel Arbeit mit sich bringt, es keine fixen Wochenstunden gibt. Dafür kann ich mir alles einteilen und an den Schrauben drehen, die ich für wichtig halte.
… und die fünfte Generation lässt auch nicht mehr lange auf sich warten!
Stimmt, im November kriegt meine Frau unser erstes Baby. Es wird ein Mädchen, und ich freue mich sehr darauf.
Apropos Auszeichnung: Es hat ja im vergangenen Jahr einen regelrechten Medaillenregen für eure Produkte gegeben. Auf welche bist du besonders stolz?
Vergangenes Jahr haben wir bei einem internationalen Fachbewerb für Fleisch in Kärnten Gold geholt. Für unsere Bratwürste haben wir die höchste Punktzahl im Mostviertel erhalten. Auf der Messe Wieselburg haben wir 2020 und 2021 den Gesamtsieg errungen, da konnten wir den Speckkaiser und den Blunzenkaiser für uns entscheiden. Weil ich mich auch auf internationalem Parkett einordnen wollte, habe ich bei einem Bewerb in Frankreich mitgemacht und wurde mit Silber für unsere Blunzen ausgezeichnet. Das freut einen schon und bestätigt unsere Philosophie von Qualität, Regionalität und Saisonalität. Das Rindfleisch beziehen wir von Hohenlehen, das Schweinefleisch von einem Bauern aus Aschbach. Gerade in den vergangenen Jahren fällt mir auf, dass vor allem die junge Generation Wert auf Tierhaltung und Herkunft legt. Und wer zum Vergleich im Supermarkt Fleisch kauft und dann bei uns, der merkt, dass wir sogar günstiger sind.
Du hast ja durchaus ungewöhnliche Kreationen in deiner Produktpalette.
Aufgrund unserer Größe sind wir flexibler als Großbetriebe. Da kann man schon mal ein wenig experimentieren, weil man eben auch kleinere Mengen herstellen kann. Vor Kurzem bin ich auf den Wildgeschmack gekommen und experimentiere mittlerweile auch damit. Die Wildsalami ist schon recht gut gelungen. Reh-Bolognese, Reh-Wraps, Reh-Moussaka habe ich auch schon probiert und für gut befunden.
Bleibt dir noch Zeit für Hobbys?
Voriges Jahr habe ich die Jagdprüfung abgelegt, das gehört neben dem Wandern nun zu meinen Hobbys. Mir geht es dabei nicht ums Schießen, sondern vielmehr ums In-der-Natur-Sein, ums Beobachten, dabei kann ich wunderbar entspannen. Qualität und Nachhaltigkeit liegen mir auch da am Herzen. Ich habe mir ein gebrauchtes Gewehr gekauft, ein Steirer-Gewehr, Baujahr 1972, das ist noch in Österreich produziert worden. Und meinem Opa habe ich einen Swarovski-Gucker abgeluchst, den er im Zweiten Weltkrieg von jemandem geschenkt bekommen hat. Weder mein Papa noch der Opa waren Jäger, aber mein Opa betreibt ein wenig Ahnenforschung und hat herausgefunden, dass sich unser Name von „Freischuß“ abgewandelt hat. Es ist also fast Bestimmung, dass nun endlich ein Freudenschuß Jäger geworden ist. (lacht)
Es gibt ja keine genauen Aufzeichnungen. Aber man geht davon aus, dass dein Urgroßvater im Jahr 1920 die Fleischerei eröffnet hat. Wo siehst du dich bei eurem 120-jährigen Jubiläum im Jahr 2040?
Ich sehe mich in einem kleinen, feinen, modernisierten Produktionsbetrieb. Die Charakteristik eines Familienbetriebes möchte ich aber nie verlieren. Mir ist nämlich ein familiäres Arbeitsumfeld sehr wichtig, das spiegelt sich auch in meinem Führungsstil wider.
Vielen Dank für das Gespräch!
WORDRAP
- Mein Wunschberuf als Kind: Fleischer (lacht)
- Die berühmten Drei für die einsame Insel: meine Frau, Essen und Bier
- Mein Sehnsuchtsort: ein Hochstand oder ein Gipfel
- Wen ich gerne einmal treffen würde: Jamie Oliver
- Team Hund oder Katze: Hund
- Serientipp für ein verregnetes Wochenende: „Der Pass“
- Mein letzter Konzertbesuch: „Bilderbuch“ auf der Clam
- Meine Henkersmahlzeit: Schnitzerl, Schnitzerl geht immer. (lacht)