Veröffentlicht am 13. Februar 2025

Was macht Erinnerung aus?

Kommentar von Herausgeber Leo Lugmayr

Der Tod des Waidhofner Nachtwächter-Vermittlers Adi Bläumauer hat es uns wieder einmal vor Augen geführt: Jahr für Jahr gehen der Stadt und der Region unwiederbringlich Zeitzeuginnen und Zeitzeugen verloren. Menschen, die mit ihrem Detailwissen, mit ihren Kenntnissen von Hintergründen gesellschaftliche und politische Entwicklungen der Region kolorieren. Unter dem Begriff Alltagsgeschichte subsumieren derartige Geschichten. Denn Alltagsgeschichte geht der Frage nach, wie Menschen in ihrem Alltag lebten und wie sie ihr Leben und ihre Geschichte erlebten. Es geht um Erfahrungen und Wahrnehmungen, die mit historischen Prozessen einhergehen. Diese Art der Geschichtsschreibung entwickelte sich erst um die Mitte der 1980er-Jahre zu einer anerkannten Wissenschaft. Die Bausteine dafür liefern Zeitzeuginnen und Zeitzeugen mit ihrer „Oral History“, wörtlich übersetzt „mündliche Geschichte“.

Adi Bläumauer war ein Zeitzeuge im besten Sinn. Denn er vermittelte – wie seine Kolleginnen und Kollegen der Nachtwächter dies auch tun – bei den Führungen Geschichten und „G´schichteln“ an ein interessiertes Rundgangspublikum. So manche Historikerinnen und Historiker hielten Regionalgeschichte in Wort und Bild profunde für die Nachwelt fest. Man denke nur an Anton Pontesegger in Gleiß oder die Schriftstellerin Elisabeth Kraus-Kassegg, die ihren wertvollen Nachlass dem Stadtarchiv Waidhofen vermacht hat, oder an Resi Schölnhammer aus Hollenstein, die in Gedichten festhielt, was die Leute am Land bewegte. Nicht alle unternehmen dies auf so hohem Niveau wie die Historiker Gerhard Zeillinger, Eva Zankl, Pater Jacobus Tisch, Alfred Lichtenschopf, Matthias Settele, Walter Zambal oder Bertl Sonnleitner und andere mehr, die in ihren Büchern und Chroniken Geschichte in großen Bögen festhalten. Bertl Sonnleitner etwa illustriert dabei seit seinem Buch „Walcherberg“ (1994) Alltags- und Zeitgeschichte mit profunder Schwarz-Weiß-Fotografie. Jüngst ist sein privat publiziertes Werk „Dahoam is’ am schensten“ sogar in gereimter Form erschienen. In den „Historischen Beiträgen“, zuvor „Heimatblätter, des Waidhofner Musealvereins befassen sich Jahr für Jahr Historikerinnen und Historiker mit Regionalgeschichte, die weinroten Informationstafeln in der Stadt liefern ebenfalls wertvolle Alltagsgeschichte.

Reinhard Fahrngruber oder Karl Piaty bannen Alltagsgeschichte auf Film, der Verein Geschichtsforschung in Ybbsitz verewigt regelmäßig in Publikationen Regionsthemen, wie etwa zur Geschichte des Ybbsitzer Skilaufs. Vielversprechend ist in diesem Zusammenhang, dass aktuell rund um Georg Kölbel in Opponitz eine Geschichtsforscherrunde entsteht.

Wertvolle Arbeit leistet etwa auch Horst Steindl: Er arbeitet Tag für Tag am Gemeindearchiv Kematen.
Die großen Ereignisse der Geschichte, darum kümmern sich Archive und Jahrespublikationen der Länder und Städte und Gemeinden ohnehin. Was die Chroniken aber nicht enthalten, das sind die damit verbundenen Erlebnisse aus der Perspektive des „kleinen Mannes“, der „kleinen Frau“. Zeitzeugen erzählen dieses „Dazwischen“ zusätzlich zu den geschichtlichen Meilensteinen.

Die vielen Geschichten, die Adi in seine Nachtwächterführungen so gewitzt und humorvoll einzustreuen verstand, werden uns fehlen. Dabei machen gerade diese Erinnerung aus.

Veröffentlicht am 13. Februar 2025

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