Veröffentlicht am 6. Juni 2025

Wem gehört ein Schloss?

Kommentar von Herausgeber Leo Lugmayr über die Bedeutung offener Schlosstore für eine lebendige Stadt.

Manchmal gilt es, die Gunst der Stunde zu nutzen, und man muss im richtigen Augenblick handeln. Das ist bereits die Quintessenz dessen, was ich heute sagen möchte. Doch nun von Beginn an: Am vergangenen Sonntag stand im Kristallsaal des Waidhofner Roth­schildschlosses eine Matinee mit dem Linzer Streichquartett auf dem Programm. Dieses setzte sich aus den drei Musikern Markus Mayr, Alois Mares, Wolfgang Kögler und der Bratschistin Miyuki Nakamura zusammen und es musizierte das sogenannte „Vogelquartett“ von Joseph Haydn. Im zweiten Teil der Matinee wurde das Quartett unter anderen durch die beiden Waidhofner Thomas Maderthaner (Klarinette) und Walter Reitbauer (Horn) für Franz Schuberts Oktett in F für Klarinette, Fagott, Horn, Streichquartett und Kontrabass zum Oktett erweitert. Ein Musikgenuss auf höchstem Niveau, der den Kristallsaal gut mit einem begeisterten Publikum füllte.

Nach dem Konzert kam ich mit einem Musikfreund aus Windhag ins Gespräch, der mir erzählte, dass er kürzlich in Schönbühel in der Wachau gewesen sei. Dort gäbe es – genauso wie in Waidhofen – ebenfalls in zentraler Lage ein sehr schönes Schloss mit mittelalterlichen Wurzeln, das der Ortschaft auch den Namen gibt. Der Wermutstropfen sei aber: Das Schloss ist in Privatbesitz, man kann es weder besichtigen, noch finden darin öffentliche Veranstaltungen statt. Die gleiche Situation besteht auch im oberösterreichischen Ottensheim, wo ein Schloss mitten im Ort liegt, das ebenfalls privat besessen wird und nur selten zugänglich ist. Die ehemalige Bürgermeisterin von Ottensheim, Ulrike Böker, hat ein preisgekröntes Ortsentwicklungsprojekt in ihrer Gemeinde umgesetzt, das sie in Vorträgen österreichweit vorgestellt hat. Auch in Waidhofen und Ybbsitz hat sie dazu referiert. Ihr damaliges Resümee: „Schade, dass wir unser schönes Schloss nicht in die Ortsbelebung einbeziehen können!“

Ich will freilich niemandem seine Eigentumsrechte absprechen, aber doch die Frage stellen: Sind Zentralbauten wie eben Schlösser, Kirchen oder Burgen nicht doch besonders wichtig für das Selbstbewusstsein und die Identität der Bevölkerung? Wie glücklich können wir uns da doch in Waidhofen schätzen! Das Schloss gehört uns 11.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Dabei ist es gar nicht der Besitz, der wesentlich ist, sondern die Zugänglichkeit: Die Konzerte des Klangraums Waidhofen, das Crystal Clubbing, die Schlosshofspiele der Volksbühne, Christkindlmarkt, Veranstaltungen, Lesungen und Konzerte im Kris­tallsaal, Rock-Events und das Theater „Il Salottino“ im Schlosskeller; Feiern, Hochzeiten, Museum, Ausstellungen, Feste in der Schwarzen Kuchl, das alles geschieht in unserem Schloss! Und wir gehen neuerdings sogar zur „Schlosswirtin“, die vergangene Woche aufgemacht hat.

Der Musikfreund aus Windhag hat schon recht: Die Stadtpolitik hat vor mehr als zwei Jahrzehnten gut gehandelt, die Gunst der Stunde genutzt und im richtigen Moment zugegriffen, als der Bund das Schloss veräußerte, obwohl es damals für den Kauf viel Kritik gehagelt hat! Sonst würden wir vielleicht heute auch vor verschlossenen Schlosstoren stehen.

Veröffentlicht am 6. Juni 2025

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