„Wir kämpfen für den Erhalt der hochqualitativen medizinischen Versorgung im Ybbstal“

Vor zwei Monaten rief Primarius a. D. Alfred Lichtenschopf das „Herzkomitee“ ins Leben, um gemeinsam mit erfahrenen Ärzten und Experten im medizinischen Bereich gegen die drohende Schließung des Notarztstützpunktes in Waidhofen und die Verlegung der Kardiologie und Urologie nach Amstetten, wie es der Gesundheitspakt 2040plus vorsieht, anzugehen. Der frühere Leiter des Rehazentrums Weyer und Komitee-Vorsitzende kann dabei auf die Unterstützung von Helmut Krenn, ehemaliger Vorstand der NÖ Landesgesundheitsagentur und Geschäftsführer der NÖ Landesklinik-Holding, des ehemaligen Ärztlichen Direktors des Landesklinikums Waidhofen Rudolf Aschauer, des ehemaligen Leiters der Internen Abteilung und der Kardiologie des Landesklinikums Martin Gattermeier sowie auf Klaus Katzensteiner, ehemaliger Ärztlicher Leiter des Unfallkrankenhauses AUVA Linz, und Allgemeinmediziner Gerhard Gattringer zählen. Seine Bedenken über die „Mogelpackung Gesundheitspaket“ legte das couragierte Komitee bereits dem Waidhofner Bürgermeister und Gemeinderat vor und holte sich damit politische Verstärkung ins Boot. Im Gespräch mit Redakteurin Karin Novak verdeutlichen die Gesundheitsexperten ihre Befürchtungen und finden klare Worte über die Unsinnigkeit der geplanten Maßnahmen.
Was sind Ihre größten Befürchtungen hinsichtlich des Gesundheitspaktes 2040plus?
Lichtenschopf: Unsere größte Befürchtung ist die Schließung des Landesklinikums Waidhofen, was unserer Meinung mit der Schließung des Notarztstützpunktes seinen Anfang nimmt.
Von der Landesgesundheitsagentur hieß es noch vor Kurzem, dass es hinsichtlich der Notarztstützpunkte noch keine Entscheidung gäbe?
Lichtenschopf: Das entspricht nicht der Wahrheit. Das lässt sich auf www.land-noe.at/gesundheitsplan sogar Schwarz auf Weiß nachlesen. Am Standort Waidhofen gibt es ab 2026 nur mehr einen Rettungswagen mit erweiterter Notfall-Ausstattung. Was für die Region eine massive Verschlechterung der medizinischen Notfallsversorgung darstellt. Man braucht nur auf die Landkarte schauen. Die Wege zur Erstversorgung verdoppeln sich dadurch für Göstling, Hollenstein, Opponitz. Erst kürzlich hat mir Bürgermeisterin Zebenholzer aus Hollenstein von einem Bikerunfall am Königsberg und einem kardiologischen Notfall berichtet. Hubschrauber war keiner verfügbar, weshalb schon die bodengebundene Notfallkette ausgesprochen lange gedauert hat. Man will sich gar nicht vorstellen, wenn der erst aus Amstetten hätte kommen müssen.
Gattermeier: Was dabei noch vergessen wird: Der Waidhofner Notarztstützpunkt deckt eine unglaublich breite Region ab. Die reicht bis in die Steiermark nach St. Gallen und Altenmarkt und nach Oberösterreich bis Weyer und Kleinreifling. Und was noch gesagt werden muss: Die Auflösung des Notarztstützpunkts hat eine direkte Auswirkung auf das Krankenhaus, um es scheibchenweise zuzusperren. Von den insgesamt vier Notarztstellen im Waidhofner Landesklinikum sind drei Stellen der Anästhesie und eine der Interne zugeteilt. Die sitzen also nicht auf der Rettungsstelle und warten auf ihren Einsatz, sondern arbeiten während ihrer Schicht im Krankenhaus mit, unterstützen den Nachtdienst. Wir reden hier von einer sehr effizienten Form eines Notarztstützpunktes. Wenn die vier Stellen wegfallen, wird die Anästhesie nicht zu halten sein.
Krenn: Das heißt nichts anderes als die Demontage des Hauses. Man vergisst, dass der Waidhofner Notarztstützpunkt in der Vergangenheit als einer der wenigen auch Sekundärtransporte übernimmt. Sprich eine Transferierung von einem Krankenhaus zu einer höherwertigen Versorgung vornimmt, was eine medizinische Transportleistung erfordert. Darum ist diese geplante Schließung umso unverständlicher. Wenn dann noch die Kardiologie und Urologie nach Amstetten verlegt werden, sorgt das für einen weitreichenden Domino-Effekt. A la longue gäbe es keine (Turnus-)Ausbildungen mehr im Haus und somit keine Praktiker für die Hausarztstellen. Es ist aber insgesamt eine Zumutung, wie man mit dem Gesundheitspaket das betroffene Gesundheitspersonal vor den Kopf stößt und es verunsichert zurücklässt.
Apropos Verlegung Kardiologie und Urologie: Dafür soll Waidhofen Schwerpunktkrankenhaus für Akutgeriatrie werden …
Gattermeier: Genau daran erkennt man dieses „Hochglanzpapier“ Gesundheitspaket als Mogelpackung. Altersmedizin wird ohnehin auf jeder Internen betrieben. Dafür müsste man nur das Türschild ändern. Da liegt halt nun einmal der 95-Jährige, der gut versorgt werden muss. Altersmedizin passiert aber überall, nicht nur auf der Internen. Ausgenommen die Kinderheilkunde betrifft sie jede Abteilung, von der Radiologie über die Labormedizin bis hin zu Gynäkologie und Urologie. Urologie ist dafür ohnehin das beste Beispiel. Die wird zu einem hohen Prozentsatz von alten Männern frequentiert.
In Österreich gibt es ein paar Beispiele, wo Krankenhäuser, die sich Richtung Geriatrie entwickelt haben, zu etwas aufgewertete Altenheimen mit Remobilisation ohne Akutversorgung. Und wenn das passiert, muss gesagt werden: Es wird kein zweites Kaiser-Franz-Josef-Spital geben. Die 110-jährige Geschichte ginge damit zu Ende. Und noch ein Wort zur Verlegung von Kardiologie und Urologie. Damit ginge sagenhaft viel Know-how vom Standort verloren, so etwas lässt sich nicht einfach nehmen und transferieren. Eines ist in jedem Fall klar: Die Politik verkauft hier eine Wurstsemmel als siebengängiges Degustationsmenü.
Krenn: Wie wichtig Peripheriekrankenhäuser sind, hat man in der Pandemie gesehen. Diese Häuser haben den Kliniken mit Spezialmedizin die Betten freigehalten. Ich sage bewusst Spezialmedizin, weil Spitzenmedizin auch in Waidhofen und anderswo geleistet wird.
Und zu den notwendigen Sparmaßnahmen, die immer wieder strapaziert werden. Ich bin nicht überzeugt davon, was da finanziell am Ende des Tages rausschaut. Man müsste in Amstetten die Kardiologie völlig neu bauen, hätte dafür in Waidhofen leerstehende Einrichtungen, Recruiting-Maßnahmen würden gebraucht für Personal, das nicht mitgeht, Darum sieht man auch nirgendwo Finanzzahlen.
Sehen Sie darin auch die Aufgabe des Komitees?
Lichtenschopf: Unsere Kommunalpolitiker sind von St. Pölten schlichtweg falsch informiert worden. Wir im Komitee haben gravierende Mängel im Gesundheitsbericht gefunden. Und auf die wollen wir hinweisen und die Landesregierung zwingen, noch einmal die geplanten Maßnahmen zu überdenken. Im Gegensatz zu Ärzten in leitenden Funktionen können wir pensionierten Ärzte frei reden, haben keine Vorgesetzten mehr.
Gattermeier: In der Expertenrunde zu diesem Papier sind keine Mediziner gesessen, die die alltägliche Arbeit oder das jeweilige Einsatzgebiet kennen. Darum findet sich darin auch fachlich Inkorrektes. Ich bin überzeugt, man hat mit dem präsentierten Hochglanzpaket die Verantwortlichen vor Ort bewusst getäuscht hat. Dem wollen wir mit unserer klaren Argumentation entgegenwirken.
Krenn: Uns geht es um die medizinische Versorgung der Ybbstaler Bevölkerung, die nur mit einer raschen wohnortnahen Grundversorgung im Ernstfall gewährleistet ist. Dafür braucht es das Klinikum Waidhofen samt Notarztstützpunkt. Dafür setzen wir uns ein.
Welche Maßnahmen wird das Komitee als Nächstes setzen?
Lichtenschopf: Im Frühherbst planen wir gemeinsam mit den lokalen Politikern eine Unterschriftenaktion und ein Bürgerforum, um die Breite Öffentlichkeit zu gewinnen. Wer Interesse hat, mitzumachen, kann sich gerne jetzt schon unter lichtenschopf@aon.at melden. Unser Komitee versteht sich als gallisches Dorf im Kampf – nicht gegen Rom, sondern – gegen St. Pölten. Wir kämpfen für den Erhalt der hochqualitativen medizinischen Versorgung im Ybbstal.
Gattermeier: Exakt, und gute Argumente sind unsere Zaubertränke.
Vielen Dank für das Gespräch und Ihr beherztes Engagement zum Erhalt des Notarztstützpunkts und des Landesklinikums Waidhofen als Erstversorgerzentrum!